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IL Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 71
von gewissen Oberflächenpunkten unversehrter Blätter sehr verschiedener dicotyler
Pflanzen erhalten kann, genauer studirt. Die Blattnerven verhalten sich, wie
KUNKEL fand, stets positiv elektrisch gegen das Blattparenchym. Ein derartiges
Resultat berechtigt aber noch nicht, worauf bereits Burr mit Bezug auf die Er-
gebnisse seiner Beobachtungen hinwies, zu der Annahme, dass in den Pflanzen-
theilen elektrische Spannungsdifferenzen präexistiren. Vielmehr ist nur zu
schliessen, wie auch KuwkEL betont, dass Verschiedenartigkeiten in der Art und
Anordnung der Theilchen des vegetabilischen Gewebes vorhanden sind, welche
bei dem Anlegen feuchter Elektroden Unterschiede in dem Auftreten gewisser
Bewegungsvorginge (Wasserbewegung) bedingen, deren theilweise Ausgleichung
in der Form elektrischer Ströme erfolgt.
Nichts desto weniger ist es gewiss, dass an der Oberfläche und im Innern
solcher Gewächse, welche sich normalen Vegetationsbedingungen ausgesetzt be-
finden, elektrische Spannungen und Ströme zu Stande kommen können, denn
einerseits leuchtet ein, dass dies bei dem Benetzen der Pflanzentheile mit Wasser
der Fall sein muss, und andererseits darf nicht übersehen werden, dass gewisse
Lebensáusserungen der Pflanzen unmittelbar das Hervortreten elektrischer Er-
scheinungen zur Folge haben. Es ist nämlich von Munk!) unter Benutzung der
Dionaea muscipula und von KUNKEL unter Anwendung der Mimosa pudica der
Nachweis geliefert worden, dass in dem Momente, in welchem in Folge einer
Reizung der Blätter die Bewegung derselben eintritt, eine Aenderung in dem bis-
her beobachteten Ausschlag des Flektrometers, also eine Stromschwankung, zur
Geltung kommt. KUNKEL weist übrigens auf Aehnliches hin, wenn er sagt (pag. 17
seiner Abhandlung): »Die an Pflanzen beobachteten elektromotorischen Wirkungen
sind durch Wasserstrómungen veranlasst, die ich entweder durch das Anlegen
von Elektroden erst hervorrufe, oder die durch active und passive Bewegungen
der Pflanzen bedingt sind.«?)
Bei der Beurtheilung der hier erwähnten Verhältnisse ist aber, dies muss
besonders betont werden, stets zu beachten, dass die elektrischen Spannungen
und Ströme nicht nothwendig als Folge des eigentlichen Lebensprozesses der
Pflanzen angesehen werden müssen; vielmehr werden sie unter Vermittlung gewisser
physikalischer oder chemischer Prozesse hervorgerufen, die ausserhalb des Or-
ganismus ebenso gut zur Geltung kommen können.
Erwähnung verdient hier noch die Thatsache, dass sich bekanntlich die
häufig sehr bedeutenden elektrischen Differenzen zwischen der Luft und dem
Boden durch die Pflanzen in Form von Blitzschlägen ausgleichen können. So-
mit ist es sicher, dass ebenfalls geringe elektrische Differenzen zwischen Luft und
Erde ihren Ausgleich durch die Gewichse finden werden. Ob die auf diesem
Wege entstehenden elektrischen Ströme, die das Gewebe der Pflanzen fast immer
durchsetzen dürften, etwa von Vortheil für die Vegetation sind, ist wissenschaft-
lich noch nicht festgestellt worden, obgleich manche bezügliche Versuche vor-
liegen.
$ 35. Die Protoplasmabewegungen. — a. Allgemeines. Es unter-
liegt keinem Zweifel, dass bei den verschiedenen Formen der Zellbildung (Ver-
1) Vergl. MUnK, Archiv f. Anatomie v. DU BoIs-REYMonD. 1876. H. 1 und 2.
?) Neben den Wasserströmungen machen sich in den Pflanzen noch eine Reihe physika-
lischer und chemischer Prozesse geltend, welche zur Entstehung elektrischer Spannungen und
Ströme im vegetabilischen Organismus Veranlassung geben können.