108 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane.
stufe derselben erkennen lasst, kann eben nur ein Inneres und Geistiges sein.«
und nicht minder deutlich charakterisirt er zwanzig Jahre!) später den Standpunkt
der Metamorphosenlehre, die nach ihm der Schlüssel zur Morphologie ist. Was
dieselbe lehrt, ist »die stufenweise Umgestaltung der-wesentlich gleichen
Organe nach den verschiedenen Höhen der Entwicklung und den ihnen zuge-
theilten Aufgaben des Lebens (pag. 294). Wie aber die Wesensgleichheit zu
verstehen ist, das erläutert BRAUN, indem er ausdrücklich erklärt, es sei eine
verkehrte Auffassung der Metamorphosenlehre, wenn man das Laubblatt als den
eigentlichen Typus des Blattes, die andern Blattformationen als »metamorphosirte«
Blattgebilde betrachte (a. a. O.). Die Laubblätter sind vielmehr wie die aller
andern Stufen Blätter, denen eine bestimmte Funktion zugetheilt ist. Das »Ur-
blatt« ist eben so wenig ein sichtbares Ding, wie die Urpflanze, welche GOETHE
sich zu gestalten suchte, man müsste denn darunter das erste Blatt der Pflanze
verstehen etc.« Ich habe diesen Standpunkt früher bereits zu charakterisiren
versucht.) »Das Blatt ist für die Metamorphosenlehre eben ein Begriff, der
nicht in einer einzelnen Form seinen Ausdruck und seine Realisirung findet,
sondern eine ganze Anzahl von Formen umfasst, von deren Besonderheit ab-
strahirt worden ist, um zu dem allgemeinen Begriffe »Blatt« zu kommen. Eben
so wenig wie man ein beliebiges Haus als das »Urhaus« bezeichnen kann, kann
man auch nach (GoEgTHE's und) BnauN's Auffassung eine beliebige Blattformation
als das »Urblatt« bezeichnen.« Damit ist auch zugleich der principielle Irrthum
der ganzen Anschauung, der mehr als jemand, der sich mit der Geschichte der
Pflanzenmorphologie nicht beschüftigt hat, glauben würde hemmend auf deren
Entwicklung wirkte, angedeutet. Erst abstrahirt man den Begriff Blatt, indem
man die Function und Färbung etc. der Laubblätter, Kelchblätter, Staubfáden etc.
als unwesentlich, ihre Stellung zum Stamm, ihr begrenztes Wachsthum als wesent-
lich und als Bestütigung dieser Wesensgleichheit das gelegentliche Auftreten von
Jumenbláttern an Stelle von Staubfáden von Laubblàáttern an Stelle von Kelch-
blättern etc. betrachtet; dann betrachtet man die Thatsache, dass der Allgemein-
begriff Blatt auf solche verschieden gestaltete Bildungen Anwendung findet als
»Metamorphose« dieses als real gedachten Begriffs, der doch eben nichts ist als
ein Wort, ein Namen, der aber als etwas Uebersinnliches aufgefasst wird, während
alle Versuche, zu einem allgemein giltigen »Begriffe« des Blattes zu kommen
tehlschlagen, wie unten auch näher darzulegen sein wird.
Neben dieser idealistischen Metamorphosenlehre hat sich eine andere Auf-
fassung entwickelt, die je nach dem Standpunkte ihrer Vertreter mehr oder
weniger Verwandtschaft mit derselben hat, ich will sie als Differenzirungstheorie
bezeichnen. Sie kannte eine reale Umbildung, eine Metamorphose im Grunde
ebensowenig wie die idealistische Metamorphosenlehre, und sucht nur den Be-
griff der Wesensgleichheit anders, namentlich entwicklungsgeschichtlich zu fassen.
HANSTEIN steht noch auf dem Boden der ersteren Lehre wenn er. sagt?) »Der
Umstand ferner, dass alle diese (Blatt-) Formen an einem Sprosskórper von unten
nach oben in der Entwicklung auf einander folgen, und dabei durch Formüber-
günge vielfach mit einander verknüpít sind, so dass die ursprüngliche Ueberein-
stimmung dieser morphologischen Natur um so heller in's Licht tritt, hat sie als
Wandelformen eines und desselben organischen Typus erkennen lassen, welcher
1) A. BRAUN, Ueber die Gymnospermie der Cycadeen, Monatsber. der Berl. Akad. 1872.
?) Botan. Zeit. 1879, pag. 418.
?) Beitráge zur allgemeinen Morphologie der Pflanzen. 1882. pag. 30.
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