Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 1. Hälfte)

146 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. 
zweischneidigen über, und die zweizeilige Stellung der Blätter tritt etwa vom fünften 
an hervor — nur die Aeste von Kissıdens, bryoides haben von Anfang an eine 
zweischneidige Scheitelzelle und zweizeilig gestellte Blätter. Bei Fissidens wird 
also in den Sprossen der einmal inducirte Uebergang von der radiüren Blatt- 
stellung in die zweizeilige (bilaterale) ein inhärenter, es verändert sich die 
Symmetrie des Vegetationspunktes selbst, bei Schistostega dagegen bleibt der 
Vegetationspunkt radiär — der Uebergang in die bilaterale Symmetrie vollzieht 
sich erst in den unterhalb des Vegetationspunkts gelegenen Partieen — eine 
Differenz, die sich auch sonst noch findet. Es ist übrigens klar, dass der Ueber- 
gang aus der radiüren in die bilaterale Blattstellung bei den genannten Moosen 
in bestimmter Beziehung zum Lichte steht, die aber experimentell noch genauer 
zu prücisiren ist, sie gehóren zu den von Sacs als plagiotrop bezeichneten 
Sprossen. Andere, dem Substrate angeschmiegt wachsende Moose behalten zwar 
die radiüre Blattstellung bei, verzweigen sich aber nur in einer Ebene, also 
bilateral, so Neckera, Hypnum- und Thuidium-Arten. 
Uebergang von radiären in dorsiventrale Symmetrie findet ebenfalls nicht 
selten statt. So bei den Rhizomen von Nwphar und Nymphaea, welche im 
Schlamme horizontal oder schief aufsteigend wachsen. Die Blätter sind hier 
spiralig gestellt, die Endknospe aufrecht. Wurzeln entspringen nur aus der 
Unterseite des Rhizoms, und zwar aus den Blattbasen, die Blüthen aber stehen 
normal nur auf der Oberseite, selten auch auf der Unterseite. Die Differenz von 
Rücken- und Bauchseite zeigt sich bei Vwphar auch darin, dass auf der Unter- 
seite die Blattnarben weit auseinandergerückt erscheinen, so dass dieselben von 
Blattnarben fast entblôsst ist; bei einem mir vorliegenden dicken Rhizome von 
Nymphaea alba dagegen finde ich in dieser Beziehung Bauch- und Rückenseite 
kaum verschieden. 
Auch die Seitenzweige der Coniferen sind der Anlage nach radiür, werden 
aber im Verlauf der Ausbildung bei manchen Formen, namentlich Azes- und 
JAuja-Arten dorsiventral. Es zeigt sich dies sowohl in der Stellung, als in der 
Ausbildung der Nadeln. Die erstere ist bei Abies pectinata eine verschiedene, je 
nach den Beleuchtungsverhältnissen. Bei den unteren Zweigen im Schluss 
stehender Bäume, oder bei jüngeren Exemplaren, die im Schatten älterer wachsen, 
sind die sámmtlichen Nadeln »gescheitelt«, d. h. sie sind durch Drehung an der 
Blattbasis so gestellt. dass sie ihre grüne (Ober- Seite nach oben, dem Licht- 
einfalle zu, ihre weisse Unterseite nach unten kehren. Ein solcher Spross ver- 
hält sich dann wie ein Marchantia-Thallus: er besitzt eine von der Unterseite 
verschieden gebaute Oberseite. Dies zeigt sich auch in den Grössenverhältnissen 
der Blätter, die auf der Oberseite stehenden Blätter sind bedeutend kürzer, als 
die auf der Unterseite stehenden. Einige Messungen der Blattlänge mögen dies 
zeigen. 
i. Blatt auf der Zweigunterseite, das seine Oberseite ohne Drehung der Blatt- 
basis nach oben kehrt: 16 Millim. 
2. Darauf folgendes Blatt auf der Flanke der Rückenseite genähert: 10,5 Millim. 
3. Nüchstes ganz auf der Oberseite inserirtes: 8 Millim. 
4. Nüchstes ganz auf der Unterseite inserirtes: 18 Millim. 
Die Differenz betrágt also zuweilen mehr als das Doppelte, die kleinsten 
Blátter sind die am weitesten auf der Oberseite stehenden, die gróssten die auf 
der Schattenseite stehenden, die aber in Wirklichkeit am Spross seitliche Stellung 
einnehmen. Die Blátter am aufrecht wachsenden Hauptspross dagegen sind 
  
       
   
   
   
   
   
  
   
  
   
  
  
   
   
  
   
  
   
   
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
    
     
      
  
   
    
     
    
    
   
   
    
  
   
   
   
   
  
     
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