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2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 281
die Kelchblätter (— in absteigender Richtung, umgekehrt wie bei den gleich zu erwähnenden
Papilionaceen —) dann die beiden Fruchtblätter, der innere, der äussere Staubblattkreis und
dann erst die Blumenblätter. — Andererseits zeigen uns aber auch zahlreiche Beispiele, dass die
akropetale Organanlage durchaus nicht immer festgehalten wird, so bei den unten zu erwähnen-
den Cistineen und Cacteen und es ist schon a priori wahrscheinlich, dass von dem Zuriickbleiben
der Blumenblattanlagen bis zu der Thatsache, dass sie wirklich spáüter angelegt werden, als die
Staubblitter, alle Uebergangsstufen sich finden werden.
Eine Modifikation der progressiven Entwicklung findet sich in solchen Fillen,
in denen die Anlegung der Bliithenblattgebilde nicht nach allen Seiten hin gleich-
mássig fortschreitet, sondern von einer Kante der Blüthenachse hin gegen die
entgegengesetzte, ein Verhalten, das sich auch bei manchen Inflorescenzen (z. B.
Trifolium pratense) findet. In den Blüthen kann dies entweder bei sámmtlichen
oder nur bei einzelnen Blattkreisen der Fall sein.) Beispiele für das erstgenannte
Verhalten sind nur für Seitenblüthen bekannt.
In den genauer untersuchten Füllen macht sich diese symmetrische, nicht
radiäre Entwicklungsfolge schon in der Gestalt des Blüthenvegetationspunktes
geltend, so z. B. bei Æeseda. Während bei Blüthen mit allseitig gegen die Spitze
hin fortschreitender Organanlage der Vegetationspunkt auch schon vor der Anlage
der Blattgebilde nach allen Seiten hin gleichgeformt, d. h. radiür ist, hat er bei
Reseda und in andern Fällen symmetrische Gestalt, er ist auf der der Inflorescenz-
achse zugewendeten Seite hóher als auf der ihr abgewendeten. Diesem Bau
entspricht auch die Entwicklungsfolge der Kelch- und Kronenblátter.) Die ersten
Kelchblütter treten auf der der Inflorescenzachse zugewendeten Seite auf, ihnen
folgen nach vorne hin fortschreitend die weiteren Kelchblattanlagen und ebenso
ist es mit den Kronen- und Staubbláttern (und zwar tritt das erste Staubblatt
schon auf, noch ehe die sámmtlichen Kronenblátter gebildet sind), auf die An-
ordnung der letzteren wird unten noch zurückzukommen sein.
Eine ühnliche ungleichseitige Entwicklungsfolge finden wir bei den Papiliona-
ceenblüthen,?) nur dass hier umgekehrt die Entwicklung von vorn nach hinten,
gegen die Inflorescenzachse hin fortschreitet. Es liegt hier aber wie es scheint, nur
eine ungleichseitige Entwicklung vor, wobei aber die tiefer stehenden Blattkreise
doch immer früher entstehen, als die hóher stehenden, indess dürften von letzt-
terem Verhalten wohl auch hier schon Ausnahmen sich finden; jedenfalls kennen
wir derartige Vorkommnisse, von dem oben erwähnten bei Reseda abgesehen,
noch bei andern Pflanzen, wie den Lentibularieen.4) Wir finden auch hier schon
vor dem Auftreten der Blattgebilde eine Förderung der einen Seite des Bliithen-
vegetationspunktes auftreten, und auf dieser Seite treten auch Kelchblätter, Kronen-
blätter und Staubblätter von Zinguicula vulgaris zuerst auf, während auf der
andern Seite die Kelchblattanlagen noch nicht sichtbar sind. Auch bei Utricularia
1) Letzteres gilt z. B. fiir die Entwicklung des Kelches von Symphoricarpus. Nach PAYER's
Figuren ist (entgegen den Angaben im Text) die Reihenfolge die, dass zuerst das dem Tragblatt
gegenüberstehende Kelchblatt, dann von hier aus fortschreitend die seitlichen entstehen (Taf. 128,
Fig. 3, 4, 5); ühnlich ist es nach BUCHENAU bei dem Hüllkelch von Zagascea. Ferner erscheinen
nach PAYER u. HOFMEISTER bei Zegozia-Arten, z. B. Begonia xanthina Hook. (vergl. die Fig. 87
in HOFMEISTER, Allg. Morphologie) die Staubblattanlagen viel früher auf einer Seite der Blüthen-
achse als auf der andern.
?) Vergl. PAYER a. a. O. pag. 193. Taf. 39; GOEBEL, Botan. Zeit. 1882. pag. 338 ff.
3) Vergl. PAYER a. a. O. pag. 517. HOFMEISTER, Allg. Morphol. pag. 464. FRANK, Ueber
Entwicklung einiger Blüthen in PRINGsHEIM's Jahrbüchern X. pag. 205 ff.
^) BucHENAU, Morphol. Studien an deutschen Lentibularieen. Bot. Zeit. 1865.