Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 1. Hälfte)

    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
    
  
  
   
    
  
   
  
  
   
  
  
  
     
  
   
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
   
   
   
   
  
  
  
   
   
  
   
  
    
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2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 297 
anlagen alterniren dann noch mit den Kronenblittern, die andern nicht, sie sind 
durch das Wachsthum des zwischen ihnen gelegenen Blüthenbodenstückes von 
einander entfernt worden, und hier treten dann die neuen Staubblattanlagen auf. 
Es ist klar, dass die eben besprochene Interponirung von Staubblittern ein 
von der Bildung alternirender Quirle nur graduell verschiedener Vorgang ist, 
bei der gewöhnlichen Alternation rücken aber die erstgebildeten Staubblitter 
nicht so weit auseinander wie im zweiten Fall: die neu entstehenden Staubblatt- 
anlagen stellen sich vor die Lücke zwischen je zwei der älteren, nicht in dieselbe. 
Weitere Beispiele für Interposition werden unten bei Besprechung der Blüthen- 
entwicklung der Rosaceen aufzuführen sein. Hier ist zunächst noch eine Annahme 
zu erörtern, die in vielen Fällen zur Erklärung der Thatsache, dass das Androe- 
ceum aus mehr Gliedern gebildet wird als das Perianthium, zu erörtern — die 
Theorie des Dédoublements. 
Der Urheber der Dedoublementstheorie ist MoQUIN-TANDON, oder vielmehr, wie derselbe in 
seinem »essai sur les Dédoublements ou multiplication des végétaux«, Paris et Montpellier 1826, 
hervorhebt, DuNAL. .Spüter wurde derselbe Begriff als Chorise bezeichnet, ein Name, der eben- 
falls von DUNAL herrührt, welcher auch der Autor des Ausdrucks Carpell ist (vergl. über diese 
Terminologie: MoQuIN-TANDON, éléments de tératologie végétale. Paris 1841. pag. 335 ff). 
Die deutschen Autoren unterscheiden zwischen »Spaltung« (im engeren Sinne) und eigentlichem 
Dédoublement oder Chorise: wenn die aus einem gemeinsamen Primordium hervorgegangenen 
Theile als Hälften eines Ganzen erscheinen, so spricht man von Spaltung, hat jedes derselben 
die Beschaffenheit eines ganzen Blattorganes, von Dédoublement oder Chorise.!) — Die ur- 
sprüngliche Definition MoqQuiN-TANDON's lautete (a. a. O. pag. 8): »aizsi lorsqu' à la place d'une 
étamine, qui existe ordinairement dans une symmetrie organique,?) on trouve plusieurs étamines celles 
& sont plusieurs par didoublement ow par multiplication«. Haben wir nun ein Recht zu einer 
solchen Annahme? — Sie beruht zunächst rein auf einer Vergleichung. Man kann ebenso gut 
sagen, wenn eine Frau Zwillinge gebiert, so ist das ein Dédoublement, weil man dann an Stelle 
eines Kindes zwei vorfindet. Es fragt sich aber, wenn der Ausdruck einen greifbaren Sinn 
haben soll: sind die Zwillinge entstanden durch Spaltung einer Embryonalanlage oder durch 
Befruchtung und Weiterentwicklung zweier unabhängig von einander entstandener Eier? Es ist 
klar, dass nur die Entwicklungsgeschichte darüber Auskunft geben kann, welches der wirkliche 
Vorgang ist. Unter Dédoublement versteht MoQUIN-TANDON auch die Fülle, in denen man heut- 
zutage von verzweigten Staubbláttern spricht, z. B. Zyfericum, übrigens zühlt er zu den Fällen, 
in welchen Dédoublement stattfinde, auch die Ranunculaceen, Anonaceen, überhaupt alle Pflanzen 
mit vielen Staubblüttern. Dasjenige Dédoublement, welches dem heutzutage mit diesem Worte 
verbundenen Sinne entspricht, ist das »dédoublement complet mais simples, die durch Dedouble- 
ment entstandenen Organe stehen dabei entweder auf einer Linie nebeneinander oder stehen in 
mehreren Phalangen um das Gynaeceum wie bei ZZypericum. Ersteres ist z. B. der Fall bei 
Alisma Plantago »six étamines opposées deux à deux à chacun des trois pétales et produites par le 
dedoublement de trois étamines chacun à deux«. Untersuchen wir nun aber diesen Fall genauer, 
so zeigt die Entwicklungsgeschichte?) keineswegs, dass zwei Staubblattanlagen aus Spaltung einer 
ursprünglich einfachen hervorgegangen sind, sondern im Gegentheil, dass die beiden angeblichen 
Spaltstücke vollstindig von einander getrennt, und zwar durch eine Ecke des Blüthenbodens von 
einander gesondert entstehen. Ja sagt man, dann ist das Dédoublement eben »congenitals. Mit 
andern Worten, wir beruhigen uns über die Thatsache, dass an Stelle einer Organanlage 
zwei vollständig unabhängige entstehen, damit, dass wir diese Thatsache mit zwei Worten um- 
schreiben, die auch nichts weiter besagen, als dass von einer Spaltung resp. Verzweigung von 
  
1) Vergl. z. B. EICHLER, Blüthendiagramme I. pag. 5. 
?) Darunter versteht er mit DE CANDOLLE das, was man jetzt mit den Ausdrücken » Bauplan, 
Typus« etc. bezeichnet. 
3) Vergl. BucHENAU, Ueber die Blüthenentwicklung von Alisma und Butomus, Flora 1857. 
Pag. 241. — GOEBEL, Beiträge etc. Bot. Zeit. 1882. 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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