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2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 323
War die mit den Carpellen gleichzeitig emporwachsende Blüthenachse in den
vorhin beschriebenen Füllen mit den Carpellen im Zusammenhang, so fehlt ein
solcher vollständig in anderen Fällen, wo sich vielmehr die Blüthenachse frei im
Innern des Fruchtknotenbechers erhebt, wie bei den Primulaceen und Lentibularieen.
Die Samenknospen stehen bei diesen auf der Verlängerung der Blüthenachse, welche
desshalb als freie Centralplacenta bezeichnet wird. Denken wir uns in dem
Fruchtknoten von Malachium aquaticum die Scheidewände weg, die in der That
ja später auch verschwinden, so erhält man ebenfalls eine freie Centralplacenta.
Die der Primulaceen unterscheidet sich aber von der im reifen Fruchtknoten von
Malachium stehenden, auch abgesehen von den Scheidewänden, dadurch, dass an
ihr die Samenknospen in spiraliger Anordnung, nicht wie bei Malachium im je
zwei Längsreihen, welche den Carpellrändern entsprechen, stehen.
Endlich kennt man eine Anzahl von Fällen, in denen die in den Frucht-
knoten hineinragende Achsenspitze statt zu einer freien Centralplacenta, zur Bildung
einer terminalen Samenknospe verwendet wird, ähnlich, wie dies auch bei
Fruchtknoten, welche aus einem Carpell gebildet werden, geschieht. Solche
terminale Samenknospen finden sich z. B. bei den Polygoneen, Amarantaceen
Chenopodiaceen. Man hat in diesen Fällen den Vorgang auch so auszudrücken
gesucht, die Samenknospe sei eine Neubildung /»ume creation nouvellex WARMING
a. a. O. pag. 188) auf der Achsenspitze, denn selbstverstindlich muss die An-
ordnung der Zellen theilweise eine andere werden, wenn aus der Achsenspitze
eine Samenknospe wird. Es scheint mir aber von keinem Belang und nur eine
Differenz im Ausdruck zu sein, ob man sagt, die Achsenspitze wandle sich in
eine Samenknospe um, oder es entstehe auf ihr als terminale Neubildung eine
Samenknospe. Denn beides besagt doch nur soviel, dass die Achsenspitze voll-
stándig zur Samenknospenbildung verbraucht wird; dass dabei die charakteristischen
Veründerungen vor sich gehen müssen, welche eine Samenknospe von einem
vegetativen Organ unterscheiden, ist klar, und ebenso ist zu erwarten, dass diese
Veründerungen oft mit charakteristischen Aenderungen in der Zellenanordnung
verknüpft sein werden.
Es geht aus dem ganzen Gange der obigen Darstellung hervor, dass sie die Meinung, die
Samenknospen seien überall Dependenzen der Fruchtblütter, nicht theilt, wohl aber die nahen
Beziehungen der verschiedenen Placentations-Arten anerkennt. "Wenn man aber die freie Central-
placenta der Primulaceen, Lentibularieen u. a. als aus dem Blüthenvegetationspunkte und den
mit demselben verschmolzenen (oder an denselben »hinauflaufenden«) Ventraltheilen der Carpelle
zusammengesetzt betrachtet, so kónnen wir darin zunüchst nur eine Abstraktion sehen, nicht aber
eine Bezeichnung für den wirklich stattfindenden Vorgang. Als solche würde sie, wie in den
oben erwähnten Fällen (Malva, Coriaria) nur dann gelten können, wenn der Nachweis geführt
würde, dass die »verschmolzenen Ventraltheile der Carpelle« sich von der Substanz des Blüthen-
durch Verschmelzung der eingebogenen Fruchtblattränder entstandenen) Scheidewände des Frucht-
knotens. Auf Querschnitten älterer Blüthen sieht man scheinbar die Verwachsungsstellen der
Placenten, wovon aber hier nicht die Rede sein kann, es ist die Zone, in der sich auch die
Gefässbündel differenziren. Häufig laufen die Placenten (resp. die einfachen Scheidewände) noch
ein Stück weit auf die Innenfläche des freien, oberen, becherförmigen Theiles des Fruchtknotens
hinauf, wie bei Melandryum (Fig. 76, 6); ein Querschnitt durch diese Partie zeigt dann natürlich
freie, nicht verwachsene, samenknospentragende Placenten. Es finden sich demnach, falls das für
Silene pendula Angegebene auch für andere S//exe-Arten gelten sollte, keineswegs solche Differenzen
in der Fruchtknotenbildung der Caryophylleen, wie man bisher annahm. Die Zerstörung der
Fruchtknotenscheidewände ist übrigens sehr verbreitet, nur erfolgt sie gewöhnlich erst in einem
späteren Stadium, z. B. bei Digitalis purpurea.
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