378 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane.
und haften dem umgebenden Gewebe fest an. Ihr Vegetationspunkt besteht aug
einem ordnungslosen grosszelligen Meristem, dessen oberflüchliche Elemente zu
Haaren auswachsen, so dass dadurch die ganze Wurzelspitze das Aussehen eines
Pinsels erhält. Da die Wurzelspitze in keiner Verbindung mit dem Gewebe des
Nährzweiges steht, so scheint diese Struktur nur den Zweck des Schutzes der
Spitze beim Vordringen im Gewebe zu haben, es scheint mir deshalb ganz be-
rechtigt zu sein,!) wenn man das die Spitze der Rindenwurzeln bedeckende
Gewebe mit einer Wurzelhaube vergleicht, obwohl von einer Meristem-Anordnung
wie in der Wurzel nicht parasitischer Pflanzen (eine Anordnung übrigens, die nach
dem oben pag. 344 ff. Mitgetheilten eine sehr wechselnde ist), nichts zu sehen
ist. An diesen Rindenwurzeln entspringen im Alter, oder wenn der Spross von
dem sie ausgehen, entfernt wird, zahlreiche Adventivknospen, die zu neuen
Mistelstimmchen auswachsen. Ausserdem aber entstehen aut ihrer unteren (dem
Holze des Nährzweiges zugewendeten) Seite die sogen. Senker. Es sind dieselben
keilfórmige, oft viele Jahresringe (nach einem von ScHacur angeführten Beispiele
bei der Tanne 70) durchsetzende Auswüchse der Rindenwurzeln. Sie dringen
aber nicht activ ins Holz ein, sondern werden von demselben umwallt. Sie
folgen auf eine merkwürdige Weise dem Dickenwachsthum des Nährzweiges,
Auf der innerhalb der Cambiumzone des letzteren gelegenen Partie des Senkers
findet sich nämlich ein (meist unregelmässig entwickeltes) Theilungsgewebe, durch
dessen Thätigkeit das (in Bezug auf den Nährzweig radiale) Längenwachsthum
des Senkers fast ausschliesslich stattfindet. Wenn dieses Meristem in Dauer-
gewebe übergeht, so stirbt der betreffende Senker ab, und damit auch das Ge-
webe des Nährzweiges an dieser Stelle. Die Senker werden schon nahe der
Spitze der Rindenwurzeln angelegt, und dringen dann bis auf das Holz vor, die
Endelemente der unregelmässigen Gefässreihen des Senkers setzen sich mit den
Gefässen des Nährzweiges (bei dikotylen Bäumen) in direkte Verbindung, bei
den Coniferen legen sie sich an die gehôft getüpfelten Tracheiden an, so dass
auch hier die gleichnamigen Gewebelemente der Parasiten und der Nährpflanze
mit einander in Verbindung stehen.
Von besonderem Interesse ist noch die von Prrra ermittelte Thatsache
(a. a. O. pag. 58), dass die eben angefiihrte Entwicklung des Parasiten auch er-
folgt, wenn durch irgend welche Einflüsse die Endknospe der Keimpflanze zu
Grunde gegangen ist. Die Rindenwurzeln wachsen dann im Gewebe der Nähr-
pflanze einige Jahre fort, ohne auf der Oberfläche desselben Sprosse zu entfalten,
erst später bilden sich darn am Grunde der Keimscheibe Knospen aus, die zu
Sprossen auswachsen.
Was die »morphologische Natur« von Senkern und Rindenwurzeln der Mistel betrifft, so
ist es derzeit wohl kaum möglich, darüber eine bestimmte Aussage zu machen. SoLMs sieht in
den Ernährungsorganen der phanerogamen Parasiten durchweg »gleichartige und denen der
Thallophyten durchaus analoge Thallusgebilde«, und glaubt, dass sie weder Wurzeln noch
Stimme sein kónnen, da sie der in der Cormophytenreihe vorhandenen typischen Gliederung
des Vegetationskorpers entbehren. — Was die Bezeichnung der Ernährungsorgane als »Thallus«
betrifft, so ist darüber pag. 137 zu vergleichen, sie gründet sich meiner Ansicht nach auf eine
historisch nicht berechtigte Ausdehnung des Begriffs »Thallus«, dessen Anwendung bei extremen
Parasitenformen wie dem unten zu erwähnenden Pilostyles aus Zweckmässigkeitsgründen gewiss
berechtigt ist, aber bei Z%esium, Viscum etc. zu Widersprüchen führt. Es scheint mir keines-
wegs ausgeschlossen, dass die Ernührungsorgane der Parasiten ganz ungleichartige Gebilde vor-
7) Auch nachdem Sorws-LAUBACH seine Annahme einer Wurzelhaube zurückgezogen hat.
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