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Allgemeiner Theil. IL Abschnitt. Ursprung und Veränderung der Sippen. 211
einheitlichen Sippe gemacht sind, so liegt darin ausgesprochen, dass wenn es
wirklich. polyphyletische Sippen irgend welchen systematischen Ranges giebt, bei
diesen aus verschiedenen Stammeltern an demselben oder möglicher Weise
an ganz getrenntem Orte dieselbe äussere Erscheinungsform, welche wir als
einem bestimmten Gattungs- oder Ordnungsbegriff entsprechend erachten, hat ent-
stehen können.
Aus inductiven Gründen und aus der Beirachtung der thatsächlich vorhandenen
Verbreitung bestimmter Gruppen in verschiedenen Florenreichen stehe ich nun
nicht an, zu behaupten, dass es solche polyphyletische Sippen giebt, und
dass also, wenn wir »natürliche« Sippen solche nennen, in denen gleiche
Entstehung an einem Ort zu ähnlicher Form geführt hat, »unnatürliche« Sippen
solche, in denen verschiedene Entstehung an verschiedenen Orten zu einer rela-
tiv älinlichen Form gefiihrt hat, dass alsdann im System solche natiirliche
und unnatürliche Gruppen gemischt vorkommen; ich glaube, dass die
Zahl der natürlichen Sippen in dem Maasse grösser ist, als der systematische
Begriff kleiner ist, dem sie angehören, dass also typische Varietäten und Arten
fast immer natürlich sein werden; dagegen halte ich die Sippen höheren syste-
matischen Ranges, von den Ordnungen an, zunächst einer Prüfung bedürftig, ob
sie natürlich oder unnatürlich sind, und ich bin bei den Mono- und Dikotylen
selbst des polyphyletischen Charakters hinsichtlich ihrer uranfänglichen Bildung
gewiss. Die Gattungen habe ich als zweifelhaft zunächst fortgelassen; im allge
meinen bin ich geneigt sie für monophyletisch zu halten, aber nur dann, wenn
man den Gattungsbegriff in dem engeren Sinne auffasst, wie es die von kundigen
Fachleuten in Deutschland geschriebenen neueren Monographien gewöhnlich
zeigen.
Dass die Auffassung von der Einheit der Entstehungscentren vordem allge-
mein verbreitet war, hatte wohl darin seinen Grund, dass gerade für einzelne
Fälle, wo dieselbe Art an sehr entlegenen Orten der Erde gefunden wurde, aus
direkten Beobachtungen eine Verbreitung derselben vom einen zum anderen
Orte gefolgert oder wenigstens durch allgemeine Betrachtungen sehr wahrschein-
lich gemacht werden konnte; es würde ja auch der bekannten grossen Ver-
breitungsfähigkeit einzelner Pflanzen durch fortwehende oder fortgeschwemmte
Samen die Zuständigkeit rauben heissen, wenn diesen Fällen eine andere Deutung
gegeben würde.
Ein einzelner solcher merkwürdiger und mehrfach in Frage gezogener Fall!) betrifft das
Phylica arborea, von einer australen Rhamnaceengattung auf zwei
Vorkommen derselben Art,
welche
sehr weit von einander gelegenen oceanischen Inseln, námlich auf Tristan da Cunha,
Insel an Endemismen wohl die Hälfte aller auf ihr vorkommenden Blüthenpflanzen besitzt,
auf der Insel Amsterdam, die über 1300 Meilen von ersterer getrennt neben der waldlosen
und
Insel St. Paul zwischen Afrika und Australien liegt.
Amsterdam ist mit demselben niederen Buschwalde von Phylica arborca
da Cunha, und hinsichtlich der specifischen Charaktere beider auf so entlegenen Inseln
sammelten Exemplare herrscht völlige Gleichheit; auch besitzt Amsterdam noch ein sehr chara
teristisches Gras, Spartina arundinacea, mit Tristan da Cunha gemeinschaftlich; endemische Arten
der räumliche Abstand zu
bedeckt wie Tristan
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hat jene Insel nicht. GRISEBACH schien, als er dieser Frage näher trat,
gross zu sein, um ohne Weiteres eine natürliche Uebertragung annehmen zu können, und er ver
die Erscheinung »mit den seltenen und noch nicht ganz verbürgten Beispielen der Entstehung
gleicher Arten an so entfernten Punkten der Erdkugel, dass an eine Uebertragung ohne Zuthun
glich
1) HookER im Journal of Linn. Soc. Bd. 14. pag. 474; GRISEBACH, Gesammelte Schriften,
pag. 555; REICHARDT in den Verh. d. zool. botan. Gesellschaft zu Wien, 1871.