Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 2. Hälfte)

228 Die systematische und geographische Anordnung der Phanerogamen, 
einem sonnigen rasenlosen Steilhange dagegen stehen zwei unter einander und mit Z. villosum 
sehr nahe verwandte Formen.  Dieselben verhalten sich in den meisten Merkmalen so zu ein- 
ander, als ob X. villosum ihre Zwischenform wire; die eine, Z7. villosissiptum geht in der längeren 
und reicheren Behaarung wie in den grösseren Köpfen und den längeren Hüllschuppen soweit 
über Æ. villosum hinaus, als die andere, Æ. clongatum, in der schwächeren und kürzeren Be- 
haarung wie in den kleineren Köpfen und in den kürzeren Hüllschuppen hinter dem- 
selben zurückbleibt. ^ Beide Formen unterscheiden sich aber gemeinsam von ZZ vwvillosum 
durch höheren Stengel und spiütere Blüthezeit; beide sind auf der Rothwand (anderswo waren 
sie bisher nicht beobachtet) ungeführ in gleicher Zahl vorhanden und vollstindig prosócisch, 
während ZZ. villosum dort gänzlich fehlt. Bastarde zwischen Æ, villosissimum und elongatum 
konnten nicht gefunden werden. — »Diese Beobachtung zeigte, dass die beiden Formen das 
verwandte Æ. villosum von ihrem, demselben im Uebrigen angemessenen Standorte verdrüngten, 
dass sie aber einander selbst nicht zu verdrüngen im Stande waren. Die Vermuthung lag nahe, 
es möchten aus dem ursprünglich allein vorhandenen AZ. villosum sich nach entgegengesetzten 
Seiten hin abweichende Varietiten gebildet haben, welche durch gemeinsamen Kampf die 
Mutterform und ebenso alle Zwischenformen, die sich durch die Kreuzung nothwendig bilden 
mussten, zu verdrángen vermochten.« 
Einen ähnlichen Fall glaube ich in einem, anscheinend seit sehr alter Zeit unverändert 
daliegenden Moor des Erzgebirges bei Sebastiansberg an Semecio-Formen aus der Untergattung 
Tephroseris (Cineraria) beobachtet zu haben. Dort wuchsen zwei von einander in Form, Farbe, 
Grósse der Blüthenkópfe und Blüthenstinde, in ihrer Behaarung und Blüthezeit sehr deutlich 
von einander abweichende Varietäten an zwei Standorten cónobitisch, für welche sich die 
REICHENBACH'schen Namen Zef/roseris rivularis und Schkuhriü (als Arten) verwenden liessen, 
die aber beide auch sonst zerstreute Standorte im Erzgebirge besitzen; ich betrachte dieselben 
als Varietiten von Zeplhroseris sudetica, welche ich in ihrer Hauptform dort nicht aufzufinden 
vermochte und von der sich wiederum beide Varietäten im entgegengesetzten Sinne unter- 
scheiden.  Zephroseris sudetica selbst ist nur Unterart von Sexecio (T. ephroseris) crispatus, mit 
welchem Namen ich den ganzen grossen Formenkreis aller dieser verschiedenen Varietäten 
umfasse. — Es hält überhaupt nicht schwer (wie schon NÄGELI bemerkt), solche Vorkommnisse 
in der Natur zu finden, nur dass leider sehr selten die Vergesellschaftung zweier eigenartiger 
Varietäten unter Ausschluss einer dritten (Stamm-) Form so deutlich ausgesprochen möglich ist 
wie in dem von NÄGELI berichteten Falle. 
Wie hier von zwei Tochterarten die Rede war, die gemeinschaftlich diver- 
girend die Stammart verdrängen, so ist noch die andere Möglichkeit vorhanden, 
dass eine einzelne Varietät sich neben der Stammart und mitten in ihrem 
Areal einen ständigen Platz erobert und unter Divergenz ihrer Charaktere mit 
jener sich weiter selbständig ausbildet. Dem entsprechend findet man nicht 
selten neben einer allgemeiner verbreiteten Pflanzenform gesellig mit. ihr in 
kleinem Gebiet eine andere (jüngere), die anderswo nicht vorkommt. — Für 
unsere pflanzengeographischen Betrachtungen ist das gemeinsame Resultat dieser 
Untersuchung von Wichtigkeit, dass sich ohne räumliche Trennung die 
Fülle der Sippen gleichen oder untergeordneten Ranges in demselben kleinsten 
natürlich geographischen Abschnitt häuft und die Verwandtschaftskreise, sofern 
sie zur Transmutation neigen, gróssere Mannigfaltigkeit in demselben abge- 
steckten Hauptareal der ganzen Sippe erhalten. 
Für diese praktischen Resultate in der Flora ist es sogar zunücht gleich- 
gültig, ob man der Vermehrung der Arten auf diesem normalen Transmutations- 
wege das Vorrecht einräumen will, oder ob man, wie Fockz?) jüngst auseinander- 
gesetzt hat, glaubt, dass die Bastarde von unter oder neben einander vorkom- 
1) »Ueber polymorphe Formenkreise«, in ENGLER's botan. Jahrb. Bd. V, pag. 69— 73. 
  
   
       
     
    
   
      
    
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
   
    
   
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
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