Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 2. Hälfte)

240 Die systematische und geographische Anordnung der Phanerogamen. 
ander zusammenhängende Ordnungen ausschliessen, so ist auch die Operation 
der natürlichen Systematik innerhalb der Blüthenpflanzen grösstentheils dieselbe, 
wie bei der Feststellung der grossen Stufenleiter im ganzen Pflanzenreich: es 
wird eine morphologische Stufenleiter durch principiell richtige Beob- 
achtungen festgestellt, in welche die einzelnen Ordnungen der Blüthenpflanzen 
möglichst ungezwungen und unter Beobachtung aller ihrer inneren und äusseren 
Eigenschaften hineingebracht werden, natürlich so, dass die unzweifelhaft phylo- 
genetisch zusammenhängenden Reihen von Ordnungen womöglich nicht durch 
das morphologisch aufgestellte Classificationsprincip aus ihrem Zusammenhange 
gebracht werden. 
Phylogenetische Anordnung der Merkmale für die Eintheilung der 
Phanerogamen. — Wir haben daher jetzt die Aufgabe, vom morphologischen 
Gesichtspunkte aus für das natürliche System eine solche Stufenfolge abzuleiten, 
die in sich etwa der Anschauung von gesteigerter Organisationshöhe in den als fest- 
stehend anerkannten Reichen der Thallophyten bis zu den Angiospermen entsprechen 
würde. Längst hat die vergleichende Blüthenmorphologie den Untergrund dazu ge- 
liefert, indem sie den Begriff »einfacher« und »hochzusammengesetzter«, bezüglich 
durch starke Metamorphose von ihren Ursprungsorganen am weitesten entfernter 
Blüthenconstructionen entworfen hat.!) Aber bisher sind die Ziele auf diesem Felde, 
obgleich schon die alte Systematik sie unbewusst und die neuere Systematik 
bewusst in sich getragen und darnach gearbeitet hat, niemals einheitlich ver- 
werthet worden; dagegen haben sie jüngst von NáckEL: in Fortsetzung des schon 
eben berührten Gedankenganges wenigstens eine einheitliche und für die 
Zwecke des natürlichen Systems unmittelbar verwendbare Darstellung er- 
fahren, weshalb wir diesem Autor weiter folgen wollen; es ist dabei tür die Zwecke 
dieser Abhandlung jedoch nöthig, stellenweise durch Ergänzungen und weiter 
ausführende Beispiele für die Aufstellung meines eigenen Classificationsprincipes 
im System der Blüthenpflanzen vorzubereiten. 
»Die Phanerogamen,« sagt NÄGELI, »in deren Gruppe sich keine phylogene- 
tischen Reihen feststellen lassen, weil diese einen genau bestimmten Charakter 
haben müssen und weil die dafür bekannten Beispiele nicht ausreichen, bieten 
dagegen einen Ueberfluss von Thatsachen, um die phylogenetische Entwicklungs- 
geschichte der einzelnen Merkmale zu studiren. Das Princip ist natürlich das 
nämliche, wie für den stufenweisen Fortschritt eines phylogenetischen Stammes, 
nur mit dem Unterschiede, dass beim letzteren immer alle seine Merkmale be- 
züglich ihres stillstehenden oder fortschrittlichen Verhaltens zu berücksichtigen 
sind. «Die Merkmale sind sowohl im Aufbau der Caulome, als in der Gestaltung, 
Anordnung und Verwachsung der Phyllome überhaupt, und endlich ganz be- 
sonders 1m speciellen Aufbau der Blüthe zu suchen. Im Aufbau der Caulome 
besitzt die einfachste Entwickelung gleichwerthige, unten Laubblátter und am 
Achsenende Biüthenblätter tragende Strahlen, während bei höherer Entwicklung 
ungleichwerthige, nach bestimmtem Verzweigungsschema angeordenete Strahlen 
entstehen; (vergleiche darüber das in der »Morphologie«, Bd. I. pag. 639—646 Ge- 
sagte.) Unter Berücksichtigung der thatsächlichen Verhältnisse hat man als 
höchste Entwicklung wohl solche Sprosssysteme zu betrachten, an denen nicht 
unmittelbar jedes laubblatttragende Caulom in eine Blüthe oder Inflorescenz 
  
!) Die durch Zunahme der Metamorphose im Vergleich mit den Ursprungsorganen stets 
complicirter gebauten Blüthen entsprechen dem Sinne von Vervollkommnung der Organisation, 
wie es oben (pag. 182) angedeutet wurde. 
       
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
     
   
  
  
  
  
  
    
   
    
   
  
  
  
  
  
  
   
    
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