660 Die Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle.
der zweiten Annahme nur die Radialwände des Gefässes auf den Radialwänden
und den gespaltenen Tangentialwünden hingleiten. Nach der letzten Annahme
bleiben dagegen auch die Radialwánde der anliegenden Zellen mit der Gefäss-
wandung in fester Verbindung und es drüngt sich nur die wachsende Zone der
Letzteren zwischen die Tagentialwànde der benachbarten Zellen, die sie gleich-
zeitig auseinanderspaltet.
Es frägt sich nun, welche von diesen drei Wachsthumsweisen wirklich in der
Natur vorkommt. KRABBE hilt den zweiten Fall für den wahrscheinlichsten, giebt
aber auch die Môglichkeit des ersteren zu; mir scheint nun aber der zuletzt be-
sprochene æ priori zum mindesten die gleiche Wahrscheinlichkeit für sich zu haben,
wenn nicht wegen seiner grôsseren Einfachheit den Vorzug zu verdienen. Die
Annahme eines localisirten Flächenwachsthums der Gefässwandung kann natürlich
in dieser Beziehung kein Bedenken erregen, da ein solches ja sicher in vielen
Fällen bei pflanzlichen Zellmembranen zu beobachten ist;. ich erinnere nur an die
Sprossung und das streng localisirte Spitzenwachsthum vieler niederen Gewächse.
Beweiskräftige Beobachtungen lassen sich nun aber zur Zeit für keine der
obigen Annahmen anführen, und es muss somit erst weiteren Untersuchungen vor-
behalten bleiben, in dieser Beziehung die nöthigen Anhaltspunkte zu liefern.
Erwähnen will ich jedoch noch an dieser Stelle, dass nach den Untersuchungen
von KRraBBE die Gefässwand auch häufig in radialer Richtung zwischen die be-
nachbarten Zellen hineinwachsen muss. Ebenso werden von dem genannten Autor
auch die Bildung der Siebröhren, der Tracheiden, der Libriform- und Bastzellen,
sowie verschiedene andere Differenzirungen auf gleitendes Wachsthum zurückge-
führt. Die hierbei in Frage kommenden Erscheinungen, auf die hier nicht näher
eingegangen werden kann, sind nun zwar zum Theil nicht so leicht darzustellen,
weil sie sich nicht in einer Ebene abspielen, beruhen aber im Wesentlichen stets
auf denselben Principien.
IL. Abschnitt.
Physiologie der Zelle.
Da ja der gesammte pflanzliche Organismus sich aus Zellen und Zellderivaten
aufbaut, so ist es natürlich nicht móglich, eine Grenze zu ziehen zwischen der
Pflanzenphysiologie und der Physiologie der Zelle, und es sollen denn auch im
Folgenden, mehr nach willkürlicher Wahl, diejenigen Theile der Zellphysiologie
eine vorwiegende Berücksichtigung finden, die nicht bereits in den Handbüchern
der allgemeinen Pflanzenphysiologie eine umfassende Bearbeitung gefunden haben
und bei denen es bereits gelungen ist, die beobachteten Erscheinungen auf das
Wirken bestimmter Zellbestandtheile zurückzuführen.
Zum Verstindniss der gesammten Zellmechanik ist nun aber vor allem eine
genaue Kenntniss der physikalischen Eigenschaften der organisirten Substanzen
nothwendig, und ich werde deshalb auch zunächst in einem Kapitel eine genaue
Besprechung der Quellungserscheinungen sowie der sogenannten osmotischen
Erscheinungen geben, wobei gleichzeitig auch die molecularphysikalische Er-
klárung derselben, wie sie namentlich von NAEGELI und PrEFFER begründet