495 Die Pilze,
Eine scharfe Grenze zwischen Parasitismus und Saprophytismus zu ziehen
ist schlechterdings unmöglich, da es einerseits Parasiten giebt, welche die
Fähigkeit haben, auch bei saprophytischer Ernährung zu gedeihen (facultative
Saprophyten);*) andererseits Saprophyten, welche bei passender Gelegenheit
parasitische Angriffskraft zeigen und Krankheiten erregen können (facultative
Parasiten). ?)
Mit dem Fortschritt der mycologischen Wissenschaft nimmt die Zahl der-
jenigen Pilze, die früher für strenge (obligate) Parasiten gehalten wurden,
immer mehr ab.
Zu den ausschliesslich saprophytischen Formen (obligaten Saprophyten) ge-
hören nach unseren derzeitigen Kenntnissen z. B. Bier- und Weinhefen, der
Champignon (Agaricus campestris), gewisse Coprinus-Arten und andere Hut-
pilze, die mistbewohnenden Sordaria- und Ascobolus-Arten u. s. w.
Gewisse Pilze treten zu anderen Pflanzen (Algen, hôheren Gewächsen) in
ein eigenthümliches Verhältniss, welches man mit DE Bary als Symbiotismus
oder Symbiose bezeichnet. Dasselbe charakterisirt sich dadurch, dass der Pilz
mit dem betreffenden Gewächs eine innige Verbindung eingeht, um demselben
gewisse Nährstoffe (anorganische) zuzutühren und als Gegenleistung gewisse andere
Nährstoffe (organische) von ihm zu empfangen.
Nach dem Medium lassen sich die Pilze trennen in Wasserbewohner
(Hydrophyten) und Luftbewohner (Aérophyten). Ausschliesslich auf das Wasser-
leben angewiesen sind nur gewisse Algenpilze und zwar die Mehrzahl der
Chytridiaceen, die Saprolegnieen, Lagenidieen und gewisse Pythiaceen;
zu den Luftbewohnern gehóren fast süámmtliche hóheren Pilze (Mycomyceten) und
von den Algenpilzen die Mucorineen und Peronosporeen. Die Luftbewohner
gedeihen zwar auch meistens in Flüssigkeiten, entwickeln aber untergetaucht
höchstens nur myceliale Bildungen ohne zu fructificiren. Nur wenige Arten, wie
die Vertreter der Hefepilze (Saccharomyces) sind im Stande, ihren ganzen Ent-
wickelungsgang sowohl in flüssigen Medien, als an der Luft durchzumachen.
Ausschliesslicher Hydrophytismus ist der Ausdruck einer niederen
Lebensstufe und nähert die hier in Betracht kommenden Formen biologisch den
Algen.
Die saprophytischen wie die parasitischen Pilze wirken in der Weise auf
ihre Substrate, dass sie die complicirten organischen Verbindungen derselben
überführen in einfachere und einfachste (Kohlensáure, Wasser und Ammoniak).
Zu ihrem Náhrbedarf nehmen sie aber meist nur einen kleinen Theil dieser Um-
wandlungsprodukte, und so wird der bei weitem gróssere disponibel für Ver-
bindungen mit anderen chemischen Kórpern.
Deshalb darf man sagen, dass die Pilze sich in sehr wesentlichem Grade
an dem Stoffumsatz in der Natur (Kreislauf der Stofte) betheiligen, und hierin
legt eine der hervorragendsten Rollen begründet, welche diese Organismen im
Naturhaushalt spielen.
Eine andere mit der genannten zusammenhängende Rolle besteht darin, dass
sie durch ihre ausgiebigen, wenn auch oft langsamen, zerstörenden Wirkungen,
die sie im Verein mit Spaltpilzen ausführen, eine Anhäufung thierischer und
') z. B. die Brandpilze, der Pilz der Kartoffelkrankheit (Phytophthora infestans); der Mutter-
kornpilz (Claviceps purpurea).
?) z. B. die Pinselschimmel (Aspergillus), die Sclerotinia-artigen Becherpilze, Arthrobotrys
oligospora.
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