Die Pilze.
Mannigfaltigkeit. Bald sind es lauter verhältnissmässig kurze Fäden, welche in
völlig gerader Richtung rechtwinkelig von der Oberfläche der Wurzel ausstrahlen,
bald gehen sehr lange und regellos geschlängelte Faden in wirrem Durcheinander
ab, sich im Boden verlierend; bald sind es förmliche Mycelstränge von mehr
oder minder grosser Dicke, welche der Pilzmantel aussendet. In ganz besonders
exquisiter Weise ist dies bei einer Mycorrhiza von Fagus silvatica der Fall, wo
diese Stränge sehr zahlreich vorhanden sind und wie die Borsten an einer Gläser-
bürste abstehen, sodass man ein Bild erhält, als hätte man eine mit echten
Wurzelhaaren besetzte gewöhnliche Wurzel vor sich.
Die Pilzhyphen wachsen an der dem Vegetationspunkte der Saugwurzel be-
treffenden Stelle stets weiter, nach rückwärts verflechten sie sich beständig und
umspinnen die Epidermiszellen. Kurzum, es hält das Wachsthum des Pilzmantels
mit dem Spitzenwachsthum der Wurzel immer gleichen Schritt.
Die Pilzwurzel lässt sich häufig von der unverpilzten Wurzel makroskopisch
gar nicht unterscheiden; in der Mehrzahl der Fälle aber treten gewisse Gestalts-
veränderungen auf: die Würzelchen werden nämlich gewöhnlich etwas dicker,
indem die Zellschichten des Plerom’s und Periblem’s etwas zahlreicher entstehen,
und überdies die Epidermiszellen oft grössere Weite erlangen; sodann aber ist
auch eine grössere Neigung zur Verzweigung zu constatiren, die Aeste treten da-
bei in kurzen Abständen und verkürzter Form auf, sodass etwa korallenartige oder
büschelförmige Verzweigungssysteme entstehen.
Das Auftreten der Pilzwurzel in obiger Form an Cupuliferen ist, in unseren
Gegenden wenigstens, ein ganz allgemeines und regeimässiges und in allen mög-
lichen Bodenarten und Lagen erfolgendes, wie aus den umfassenden Untersuchungen
Frank's deutlich hervorgeht.
Nach Frank und ReEss?) kommen den in Rede stehenden Mycorrhiza-Formen
ähnliche auch bei Salicaceen, Betulaceen und Coniferen vor, doch konnte sie der
Erstere nicht in so allgemeiner Verbreitung finden, wie die Cupuliferen-Mycor-
rhizen.?)
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Cupuliferen-Mycorrhizen
durch specifisch verschiedene Pilze verursacht werden. Hlierauf deutet bereits die
Angabe FRANK's hin, wonach die Mycorrhizen bald weiss, bald blass, bald rosen-
roth, bald blassviolett, bald safranroth, bald goldgelb oder rostbraun tingirt sind.
Die Entstehung eines so dichten, interstitienlosen Pilzmantels hat natürlich
zur Folge, dass diejenigen Organe, welche sonst die Aufnahme von Wasser und an-
organischen Nährstoffen aus dem Boden vermitteln würden — die Wurzelhüàrchen —
gar nicht zur Bildung gelangen kónnen. Gerade dieser Umstand weist darauf
hin, dass der Pilzmantel die Aufgabe hat, der Wurzel jene Stoffe zuzuführen,
also gewissermaassen die Stelle der Wurzelhaare zu vertreten. Hiermit stimmt
auch die Thatsache, dass die Pilze keine parasitischen, d. h. schädlichen Wirkungen
auf die Wurzel áussern, was schon die mikroskopische Untersuchung lehrt, noch
eindringlicher aber die bekannte Thatsache, dass die mit den Mycorrhizen ver-
sehenen Cupuliferen ganz vortrefflich gedeihen.
Wie die mit Wurzelhaaren ausgestatteten Saugwurzeln so haben auch die
Mycorrhizen nur eine beschrünkte Lebensdauer. Mit dem Alter des Baumes er-
!) Untersuchungen über Bau und Lebensweise der Hirschtrüffel, Elaphomyces. Bibliotheca
botanica. Heft 7 (1887).
?) Vergl. auch WoRONIN. Ueber die Pilzwurzel (Mycorrhiza) Ber. d. deutsch. bot. Ges.
Bd. III, pag. 205.