Full text: Handbuch der Botanik (Vierter Band)

   
  
  
  
Die Pilze. 
Mannigfaltigkeit. Bald sind es lauter verhältnissmässig kurze Fäden, welche in 
völlig gerader Richtung rechtwinkelig von der Oberfläche der Wurzel ausstrahlen, 
bald gehen sehr lange und regellos geschlängelte Faden in wirrem Durcheinander 
ab, sich im Boden verlierend; bald sind es förmliche Mycelstränge von mehr 
oder minder grosser Dicke, welche der Pilzmantel aussendet. In ganz besonders 
exquisiter Weise ist dies bei einer Mycorrhiza von Fagus silvatica der Fall, wo 
diese Stränge sehr zahlreich vorhanden sind und wie die Borsten an einer Gläser- 
bürste abstehen, sodass man ein Bild erhält, als hätte man eine mit echten 
Wurzelhaaren besetzte gewöhnliche Wurzel vor sich. 
Die Pilzhyphen wachsen an der dem Vegetationspunkte der Saugwurzel be- 
treffenden Stelle stets weiter, nach rückwärts verflechten sie sich beständig und 
umspinnen die Epidermiszellen. Kurzum, es hält das Wachsthum des Pilzmantels 
mit dem Spitzenwachsthum der Wurzel immer gleichen Schritt. 
Die Pilzwurzel lässt sich häufig von der unverpilzten Wurzel makroskopisch 
gar nicht unterscheiden; in der Mehrzahl der Fälle aber treten gewisse Gestalts- 
veränderungen auf: die Würzelchen werden nämlich gewöhnlich etwas dicker, 
indem die Zellschichten des Plerom’s und Periblem’s etwas zahlreicher entstehen, 
und überdies die Epidermiszellen oft grössere Weite erlangen; sodann aber ist 
auch eine grössere Neigung zur Verzweigung zu constatiren, die Aeste treten da- 
bei in kurzen Abständen und verkürzter Form auf, sodass etwa korallenartige oder 
büschelförmige Verzweigungssysteme entstehen. 
Das Auftreten der Pilzwurzel in obiger Form an Cupuliferen ist, in unseren 
Gegenden wenigstens, ein ganz allgemeines und regeimässiges und in allen mög- 
lichen Bodenarten und Lagen erfolgendes, wie aus den umfassenden Untersuchungen 
Frank's deutlich hervorgeht. 
Nach Frank und ReEss?) kommen den in Rede stehenden Mycorrhiza-Formen 
ähnliche auch bei Salicaceen, Betulaceen und Coniferen vor, doch konnte sie der 
Erstere nicht in so allgemeiner Verbreitung finden, wie die Cupuliferen-Mycor- 
rhizen.?) 
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Cupuliferen-Mycorrhizen 
durch specifisch verschiedene Pilze verursacht werden. Hlierauf deutet bereits die 
Angabe FRANK's hin, wonach die Mycorrhizen bald weiss, bald blass, bald rosen- 
roth, bald blassviolett, bald safranroth, bald goldgelb oder rostbraun tingirt sind. 
Die Entstehung eines so dichten, interstitienlosen Pilzmantels hat natürlich 
zur Folge, dass diejenigen Organe, welche sonst die Aufnahme von Wasser und an- 
organischen Nährstoffen aus dem Boden vermitteln würden — die Wurzelhüàrchen — 
gar nicht zur Bildung gelangen kónnen. Gerade dieser Umstand weist darauf 
hin, dass der Pilzmantel die Aufgabe hat, der Wurzel jene Stoffe zuzuführen, 
also gewissermaassen die Stelle der Wurzelhaare zu vertreten. Hiermit stimmt 
auch die Thatsache, dass die Pilze keine parasitischen, d. h. schädlichen Wirkungen 
auf die Wurzel áussern, was schon die mikroskopische Untersuchung lehrt, noch 
eindringlicher aber die bekannte Thatsache, dass die mit den Mycorrhizen ver- 
sehenen Cupuliferen ganz vortrefflich gedeihen. 
Wie die mit Wurzelhaaren ausgestatteten Saugwurzeln so haben auch die 
Mycorrhizen nur eine beschrünkte Lebensdauer. Mit dem Alter des Baumes er- 
!) Untersuchungen über Bau und Lebensweise der Hirschtrüffel, Elaphomyces. Bibliotheca 
botanica. Heft 7 (1887). 
?) Vergl. auch WoRONIN. Ueber die Pilzwurzel (Mycorrhiza) Ber. d. deutsch. bot. Ges. 
Bd. III, pag. 205. 
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
     
 
	        
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