Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 4. Band)

   
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Abschnitt VI. Systematik und Entwickelungsgeschichte. 595 
Basidiomyceten zeigen entweder monomorphe oder dimorphe, trimorphe, 
oder pleomorphe Fructification, ein Resultat, welches vornehmlich den weiter 
unten citirten Arbeiten 'lTULASNEs, WonRoNIN's, DE SEYNES und BREFELD's zu 
danken ist. Am griindlichsten und zugleich am extensivsten sind in diesem 
Sinne die neuesten Untersuchungen des letztgenannten Forschers ausgefallen. 
Sie dürften zugleich den Hinweis geben, dass die Systematik der Basidiomyceten, 
wenn sie von der bisherigen einseitigen Berücksichtigung der Basidienfructification 
abgeht, natürlichere und sicherere Charaktere für die Gliederung einzelner Familien 
gewinnen wird. 
Was zunächst die Basidien erzeugende Fructification betrifft, so durchláuft 
sie in vielgestaltigen, oft an gewisse Ascomyceten (Pezizen, Morcheln, Xylarien) 
erinnernden Formen, die 3 Typen des Basidienlagers, des Basidien- 
bündels und der Basidienfrucht. Letztere ist in typischster Ausbildung nur 
bei den Bauchpilzen (Gastromyceten) zu finden. Bezüglich des Baues der 
Basidie muss hervorgehoben werden, dass sie bei dem Gros der Basidiomyceten 
(Dacrymyceten, Hymenomyceten, Gastromyceten) vollkommen  einzellig auftritt, 
keulige oder birnfórmige Gestalt annehmend, wáhrend sie bei der von BREFELD 
als Protobasidiomyceten bezeichneten Abtheilung (welche die Pilacreen, 
Auricularieen und Tremellinen umfasst) durch Querwánde oder durch 
Längswände gefáchert (der Regel nach vierzellig) erscheint. 
Die einzelligen Basidien entwickeln in der Nàhe des Scheitels (seltener 
lateral) lángere oder kürzere Sterigmen zu 2, 4, 6 oder mehr an Zahl (der Regel 
nach 4) welche auf ihrer Spitze je eine Basidiospore abschnüren. Die mehr- 
zelligen Basidien dagegen scbnüren an jeder Zelle eine Basidiospore direkt 
oder auf einem Sterigma ab. 
Als ein hóchst bemerkenswerthes und lehrreiches Factum 1st hervorzuheben, 
dass bei einigen wenigen Basidiomyceten die Basidienfructification gegen- 
über der Conidien- resp. Gemmenbildung der Regel nach fast ganz 
oder vollstándig zurücktritt, was nicht bloss für die J/VycaZs-Arten (den 
Agaricineen zugehôrig), sondern auch für Æychogaster (einer Polyporee) Geltung 
hat; und es ist hiernach mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die Basi- 
dienfructification bei diesen Pilzen schliesslich ganz vom Schau- 
platz der Entwickelung abtreten wird, um der Conidien- bezüglich Gemmen- 
fructification allein das Feld zu überlassen. Wäre dieser Vorgang schon jetzt 
zur Vollendung gediehen, so würden wir wahrscheinlich kaum im Stande sein, 
die genannten Pilze in ihrer phylogenetischen Verwandtschaft mit Basidiomyceten 
zu erkennen. 
Ehemals machte man, gestützt auf mangelhafte Untersuchungen, die An- 
nahme, dass die Basidiomycetenfructification einem sexuellen Acte 
ihre Entstehung verdanke.  Gewisse Beobachter hatten bei verschiedenen 
Basidiomyceten weibliche und männliche Organe und sogar eine gegenseitige 
Befruchtung derselben gesehen. Durch BREFELD’s !) Untersuchungen wurde nun 
nicht bloss gezeigt, dass die vermeintlichen Geschlechtsorgane bei den in Frage 
kommenden Species überhaupt nicht existiren, sondern auch zahlreiche andere 
Basidiomyceten aus den verschiedensten Gruppen als völlig asexuell erwiesen. Man 
ist daher heutzutage zu der Annahme berechtigt, den Basidiomyceten fehlt 
jede Andeutung einer Sexualität: Die Basidienfructification, mag sie nun 
  
1) Schimmelpilze III, VII, VIII. 
     
   
   
   
   
     
  
  
  
   
  
    
     
    
   
    
   
  
    
   
  
   
   
   
   
   
  
   
   
  
   
   
  
   
   
   
  
  
   
   
     
  
    
  
  
  
   
	        
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