Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 4. Band)

   
  
Die Pilze. 
Gattung 5. Fistulina BULLIARD. 
Ihre Hauptcharaktere liegen einerseits darin, dass die Hymenialróhrchen an 
der Unterseite des Hutes als freie, d. h. völlig getrennte, anfangs geschlossene 
und daher zitzen- oder zapfenartige Hervorragungen entstehen, welche im Innern 
mit der Basidienschicht ausgekleidet erscheinen und sich bei der Reife an der 
Spitze öffnen; andererseits in dem Umstande, dass in der fleischigen Substanz 
des basidientragenden Hutes gemmenartige Bildungen erzeugt werden, welche 
schon DE SEvNES beobachtete und BREFELD niher untersuchte. 33 
P. hepatica (SCHAFFER), der einzige, an Eichenstimpfen häufige, im Spät- 
sommer und Herbst fructificirende Vertreter, bildet anfangs weichfleischige, saftige, 
später zähfaserige, seitlich angeheftete, mitunter langgestielte, breit zungenfôrmige, 
leberfórmige oder auch polsterartige F ruchtkórper von blutrother bis braunrother 
Fárbung. Dieselben sind im reifen Zustande oben mit r—2 Millim. dicker, roth- 
brauner Haut überzogen, unter der eine etwa 1 Millim. dicke, gallertige, bei 
Regenwetter stark aufschwellende Schicht liegt, an welche sich dann die Haupt- 
masse des Hutes, das Fleisch, anschliesst. Auf der Unterseite stehen die freien 
Hymenialróhren zu einer einzigen etwa bis ro Millim. hohen, blassrothen, dann 
dunkleren Schicht geordnet (Fig. 8o, II IIa). 
Hut und Stiel bauen sich aus ziemlich weitlumigen, kurzgliedrigen, ge- 
krimmten und verschlungenen Fäden mit Schnallenbildungen auf. Zwischen 
diesen Fäden liegen eigenthümliche, an die Milchgefässe der Lactarien erinnernde 
weitlumigere, mit wässrigem, blassrothen Safte erfüllte Röhren. Sie werden nach 
der Oberfläche des Hutes und nach den Röhren des Hymeniums zu zahlreicher 
und schmäler und gehen auch in die Wände der Röhren hinein, Unter der er- 
wähnten gelatinösen Schicht entstehen nun gemmentragende Seitenzweige an den 
Hyphen des Hutfleisches, welche sich am Ende reich und dicht verzweigen, an 
jedem Aste mit einer Gemme oder Gemmenreihe abschliessend. Diese Bildungen 
treten nach BREFELD schon in jungen Fruchtkörpern auf (Fig. 8o, 1114), bald 
massenhaft, bald minder reichlich. Später bildet sich dann der Hut gewöhnlich 
zum basidientragenden Organ aus, und die Gemmenlager werden hierbei mehr 
nach oben gedrängt und zu einer oberflächlichen Schicht auseinandergezogen. 
Bisher konnten weder die Gemmen noch die Basidiosporen zur Keimung ge- 
bracht werden. 
Die Hüte des Pilzes werden vielfach gegessen und haben einen angenehmen 
Geschmack. 
Gattung 6. Boletus DILL. Röhrenschwamm. 
Basidienfructification in Form von central gestielten, fleischigen Hüten. 
Hymenialröhren unter sich verwachsen, vom Hutfleisch leicht trennbar. Bei 
manchen Vertretern findet sich Schleierbildung. Conidien- und Gemmenfructifi- 
cation unbekannt. 
B. edulis Steinpilz. Einer der geschätztesten, in Wäldern häufigen Speise- 
schwämme. Stiel anfangs dickknollig, später mehr keulig, hellbräunlich, im 
oberen helleren Theile mit erhabener, weisslicher Netzzeichnung. Hymenial- 
') Literatur: DE SEYNES, Organisation des champignons superieures. Ann. sc. nat. ser. V, 
t. I, pag. 231. — Recherches pour servir à l'histoire naturelle des végétaux inférieures I. Des 
Fistulines. Paris 1874. BREFELD, Untersuchungen aus dem Gesammtgebiet der Mycologie. 
Heft VIII, pag. 143.  IsTVàNFFI und O. J. OLsEN, Ueber die Milchschaftbeháülter und verwandte 
Bildungen bei den hóheren Pilzen.  Botan. Centralbl Bd. 29 (1887). 
  
  
	        
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