Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. 
schon ganz verloren haben. Auch zeigt die im Süsswasser lebende Larve von 
Ephemera wahrscheinlich. in ihren Tracheen-Kiemen noch die Organe, aus deren 
Umbildung die ersten Insectenflügel hervorgingen. Das Alles sind Gründe, es 
annehmbar zu machen, dass die Pseudoneuropteren die älteste Ordnung der In- 
secten sind, die aus einer noch nicht fossil gefundenen — vermuthlich den 
heutigen Solifugen mehr oder minder verwandten —  uralten Tracheaten-Form 
hervorging. 
Ephemeriden-Reste (Dictyoneura) kennt man aus der Steinkohlenformation 
von Saarbriicken. Mit ihnen kommen hier auch schon Termiten vor. Letztere 
finden sich háufig in den Tertiürschichten von Radoboj in Kroatien, auch im 
Bernstein des Samlandes haben sich deren erhalten. Jetzt sind die Termiten der 
europáischen Fauna fremd, haben sich aber hier und da durch Verschleppung 
nachtráglich wieder eingebürgert, unter anderem bei La Rochelle. und in Italien. 
Libellen finden sich häufig und in grossen Arten im oberen Jurakalk von 
Solenhofen, zum "Theil mit Erhaltung des feinsten Aderverlaufes der Flügel. 
Larven von Libellen kennt man aus dem tertiüren Süsswasserkalk von Oeningen. 
Von den Pseudoneuropteren zu den echten Neuropteren oder Netzflitglern, 
Neuroptera, ist nur ein kleiner Schritt. Diese durchlaufen eine vollkommene 
Verwandlung, sie haben fressende Larven und ruhende Puppen. Im Uebrigen 
kommen sie noch nahe mit der vorigen Ordnung überein. Sie tragen ebenfalls 
zwei Paar im Bau wesentlich gleiche, netzfórmig gegitterte Flügel. Dahin gehóren 
die Sialiden, die Hemerobiden oder Landjungfern, die Phryganiden oder Schmetter- 
lingsfliegen (Kócherjungfern) u. s. w. 
Die Neuropteren sind offenbar sehr frühe schon aus den Pseudoneuropteren 
durch tiefere Ausprägung der Metamorphose hervorgegangen. Beispielsweise 
gehôrt dahin ein 6,2 Centim. (24 Zoll) langer Flügel aus den Eisensteinnieren 
der Steinkohlenformation von Coalbrookdale (Shropshire) Corydalis Brogniarti. 
Er deutet auf Sialiden der heute in Nord-Amerika (Carolina) durch grosse 
Arten vertretenen Gattungen Corydalis. 
Wichtiger sind die Phryganeen, deren in siissem Wasser lebenden raupen- 
fórmigen Larven aus Sandkórnern, kleinen Schneckengeháusen u. dergl. eine 
Röhre bauen, die auch in Tertiüàrschichten an mehreren Orten fossil vorkommt. 
Reste von ausgebildeten Insecten aus der Familie der Phryganiden kennt man 
aus dem oberen Jura und aus verschiedenen Tertiür-Schichten. Sie sind bedeut- 
sam als muthmasslicher Ausgangspunkt der Ordnung der Schmetterlinge. 
Fossile Phryganeen-Larvenróhren heissen Indusien. Sie finden sich nament- 
lich im oligocünen Süsswasserkalk der Auvergne. Es sind Róhren von allerlei 
fremdartigen Gegenstinden zusammengeklebt, namentlich sind daran kleine 
Hydrobien-Geháuse und Sandkórner angekittet. Sie werden hier bis 5 Centim. 
lang und 6 bis 9 Millim. (3—4 Linien) dick und sind auffallend dickwandig. 
Dieser Indusien-Kalk der Auvergne bildet ausgedehnte Lager von ein paar Fuss 
Mächtigkeit. Gewöhnlich nimmt man die Indusien für Kócher von Phryganeen- 
Larven. Doch kennt man heutzutage keine Schichten-Bildung durch Phryganeen- 
Anhäufung, sondern nur vereinzelte Röhren in seichtem Wasser. LvELL nimmt 
daher an, bei Bildung der Indusien-Kalke seien die Kócher durch Wind und 
Strómung zusammengeschleppt worden und konnten daher sich in Menge an- 
häufen. 
Man kennt Phryganeen-Köcher auch aus dem Litorinellenkalk von Mainz 
und Wiesbaden, ebenfalls reich an eingekitteten Schneckenhäuschen, 
   
    
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
   
   
    
  
   
   
   
  
  
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