Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

   
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Theil 
1848 
  
Das Meer und seine geologische Bedeutung. 411 
berechnet sich das Maass der jährlichen Zerstörung fast auf einen Meter (0,90 m). 
Aber auch die gegenüberliegenden grösstentheils flachen Küsten von Friesland 
und Holstein haben grossartige Zerstörungen erlitten. 
Die natürlichen Absonderungen in den Gesteinen und die dadurch bedingte 
Zerklüftung derselben erleichtern dem Meere die zerstörende Arbeit. Freilich 
bilden die am Fusse einer steilen Felsenküste mit der Zertrümmerung der- 
selben sich anhäufenden Trümmermassen häufig einen wirksamen Schutzwall, 
an dem sich zunächst die Kraft der andringenden Wogen bricht. Erst nachdem 
diese Trümmermassen selbst wieder zu Sand zerstückelt und zerrieben sind, greift 
das Meer aufs Neue die hinterliegende Küstenwand an. 
Die abgerundete Form der Gerölle ist die Folge der gegenseitigen Abreibung 
der Gesteinsstücke, welche durch die Meereswellen bewegt werden. Mehr und 
mehr werden natürlich hierbei aus grösseren Blöcken kleinere Gerölle gebildet, 
endlich Sand und der feinste, durch lange Suspension im Meereswasser auf grosse 
Entfernungen fortzutragende Schlamm. 
Die Masse der Gerölle, die an gewissen Küsten producirt wird, ist sehr be- 
deutend. Das findet seine Erláuterung in den experimentellen Versuchen DAUBRÉE's!) 
woraus sich ergiebt, dass schon nach einer Fortbewegung um 25 Kilometer in 
einem sich umdrehenden, mit Wasser und eckigen Bruchstücken gefüllten Cylinder 
diese vollkommen zu Geróllen abgerundet werden, dass also die Bildung der 
Gerólle auffallend schnell vor sich zu gehen vermag. 
Sog. Riesentópfe oder Strudellócher werden durch die drehende Bewegung 
grósserer Gerólle in die felsigen Uferterrassen eingebohrt. 
Das Maass und die Art der Zerstórung einer Küste durch das Meer ist aber 
ausser von den Gezeiten auch von der Kraft und Richtung von Meeresstrómungen, 
der Stärke und Richtung der herrschenden Winde und Orkane, der Beschaffen- 
heit der Gesteine und der Form der Küste abhängig. 
Das südwestliche Irland mit seiner fjordartig ausgefransten Küste bietet für 
solche Vorgänge ein gutes Beispiel.?) Hier zeigt sich uns ein aus mehreren Faktoren 
combinirter Mechanismus der erosiven Thätigkeit. Die starke Strömung des 
Golfstromes trifft genau in einer nach NO. strebenden Richtung auf die Süd- 
westspitze von Irland. Daher dringt gerade in dieser Richtung die Meeresbrandung 
zerstórend ein. Sie findet hier zweierlei Gesteine, die widerstandsfáhigen Sand- 
steine des Old red und leicht zerstórbare Kohlenkalksteine, in Mulden zwischen 
jenen liegend. Jeder Kalksteinzone entspricht darum eine tief nach NO. in das 
Land eindringende schmale Bucht; jeder Sandsteinzone eine hoch und lang vor- 
ragende, felsige Landzunge. 
Hierzu kommt nun noch hinzu, dass die Niveauschwankungen des Meeres hier 
an den Küsten, — die westirische Küste hat eine beträchtliche Hebung in 
jüngster geologischer Zeit erlitten — die Angriffspunkte unausgesetzt verschieben 
und so natürlich die Zone der Zerstörung ausdehnen und erbreitern. Das hat 
auch für alle andern Küsten Bedeutung. Die Zerstörungen werden sich ver- 
schieden gestalten, je nachdem eine Küste in auf- oder absteigender Bewegung 
begriffen ist. Das Einsinken einer Küste wird der Zerstörung stets die günstigsten 
Bedingungen schaffen, gleichviel ob es eine flache oder eine Steilküste ist. 
Nachdem schon vor vielen Jahren der englische Geologe Rawsav?) und 
  
1) Géologie experimental. I. 248. 
?) v. LASAULX, Aus Irland. pag. 90. 
3) Physical geology and geography of Great Britain 2. ed. London 1864. pag. 79. 140. 
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
 
	        
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