Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

412 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. 
später auch Dana” auf die ungeheure Bedeutung der fortschreitenden Brandung 
an einer einsinkenden Küste für die Oberflächengestaltung des Festlandes hinge- 
wiesen, hat neuerdings ganz besonders RICHTHOFE EN?) die grossartigen Wirkungen 
der marinen Erosion eines Näheren erôrtert und für die nivellirende Thätigkeit 
derselben die Bezeichnung: Abrasion eingeführt. 
Während bei constantem Meeresniveau die Ausbildung von Strandlinien und 
Terrassen erfolgt, wie dieses im Vorhergehenden erörtert wurde und während bei 
aushebendem Lande die Küste parallel der ursprünglich vorhandenen Böschung 
abgetragen wird, ist die Wirkung der Brandung bei einsinkendem Lande im Stande, 
eine ausgedehnte, geneigte Terrasse zu bilden, welche grosse Areale umfassen 
und ganze Gebirge zu einer einzigen Fläche abhobeln kann. Eine solche nennt 
RICHTHOFEN: Abrasionsfläche. Beispiele dafür sind schon im Artikel »Gebirgs- 
bildung«, pag. 549, I. angeführt. 
Die Ausbildung einer vollkommen schematischen Abrasionsfläche wird freilich 
nur dann möglich sein, wenn die langsam und stetig einsinkende Küste aus 
gleichartigem homogenem Gestein besteht und wenn alle in Betracht kommenden 
dynamischen Faktoren in Wirkungsart und Intensität andauernd gleich bleiben. 
Wo aber z. B. die  Brandunsswelle verschiedenartige Gesteine findet, da wird 
sie in den leichter zerstörbaren tiefer eindringen, sie schneller abschleifen, die 
härteren nur langsamer abhobeln. So bleiben die letzteren als aufragende Theile 
über der Abrasionsfläche stehen. Bilden die härteren Gesteine ganze Zonen, so 
kann ein aus diesen bestehender Gebirgszug über der Abrasionsfläche übrig 
bleiben. Wenn dann auch dieser nicht dem allgemeinen Boden gleich gemacht 
werden kann, so wird doch, wenn die Senkung fortschreitet, das Meer auch die 
oberen Theile dieser Inselgebirge hinwegfegen und so entstehen Rumpfgebirge, 
wie RICHTHOFEN die abgerundeten und abgeschliffenen Ruinen solcher Gebirge 
bezeichnet, die ehemals als hohe und lange zackige Ketten aufragten. Der 
Kwenlun in Centralasien bietet nach ihm das grossartigste Beispiel eines solchen 
Rumpfgebirges. 
Mit der über ganze Regionen sich erstreckenden Abrasion ist immer, wenn 
nicht das aus der Zerstörung hervorgehende Trümmermaterial nach grösseren 
Entfernungen fortgeführt wird, transgredirende Ablagerung verbunden d. h. über 
die durch Abrasion gebildete Fläche finden sich Sedimente abgelagert, welche 
sich aus den Trümmern, welche die fortschreitende Brandungswelle erzeugte, und 
unmittelbar derselben folgend, zusammfügten. 
Die Veränderungen der Meeresküsten unter der combinirten Wirkung der 
Wellen und Winde, wie sie durch die Bildung der Dünen, andere, die durch 
das Entstehen von Deltas und der damit verwandten Nehrungen und Haffe her- 
vorgerufen werden, sind in den Artikeln: Atmosphäre I. pag. 75, Deltas I. 
pag. zor und Continente I. pag. 172, schon erörtert worden und wird daher auf 
diese Stellen verwiesen. Mit der zerstórenden Wirkung des Meeres ist in 
diesen Fállen immer auch schon die zweite dynamische Tháàtigkeit desselben, 
die des Transportes und der Ablagerung vereinigt. 
2. Die durch das Meer hervorgerufenen geologischen Neubildungen 
sind eigentlich zweierlei Art, solche die durch chemische Processe, als Nieder- 
schláge entstehen und solche, die nur durch mechanische Anhäufung oder 
Sedimentirung geschaffen werden. 
7) Manual of geology 2 ed. pag. 673. 
?) RICHTHOFEN, China. Bd. II. pag. 766. 
         
  
  
    
   
  
  
   
     
    
  
   
   
   
   
   
   
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
        
      
  
   
    
      
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