Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band)

96 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. 
zeigen und mit Recht als physiologische-Merkmale bezeichnet werden, sind 
nur für die bezüglichen Minerale bezeichnend oder charakteristisch. 
So zeigen Minerale beim Anfühlen oder Betasten mit den Fingern Unter- 
schiede, wonach man sagt, dass sie sich seifenartig oder fettig (wie der Steatit 
und Graphit) dass sie sich mager (wie die Kreide) oder fein oder rauh oder 
glatt anfühlen. — Gewisse Minerale wie Naphtha, Asphalt, Ozokerit, Schwefel 
zeigen unmittelbar einen eigenthümlichen Geruch, andere beim Anschlagen mit 
dem Hammer oder beim Reiben wie Pyrit und Arsen, andere beim Anhauchen 
oder Befeuchten, wie Amphibol und Thon. — In Wasser lósliche Minerale end- 
lich erregen mit der Zungenspitze berührt, einen eigenthümlichen Geschmack, 
wie das Steinsalz, der Salmiak, der Epsomit, Mirabilit, die Soda, der Nitrit, die 
Vitriole und Alaune, welcher nach der Empfindung als salzig, urinós, bitterlich, 
laugenhaft, kühlend, zusammenziehend, süsslich und ähnlich bezeichnet wird. 
Pseudokrystalle 
von 
Prof. Dr. Kenngott. 
Pseudokrystalle oder Pseudomorphosen werden im Allgemeinen die- 
jenigen bei verschiedenen Mineralarten vorkommenden Krystalle genannt, deren 
krystallinische Gestalt nicht durch die Krystallisation der vorhandenen Sub- 
stanz entstanden ist. So sind z. B. tesserale Krystalle, welche ihrer Substanz 
nach zum Malachit zu rechnen sind, Pseudokrystalle des Malachit. Die wirk- 
lichen Krystalle des Malachit sind klinorhombische, die Gestalten aber der tesse- 
ralen Pseudokrystalle des Malachit wurden durch eine andere Mineralsubstanz, 
Cuprit, gebildet, an Stelle dessen jetzt Malachit da ist. Der Cuprit, welcher ur- 
sprünglich die tesseralen Krystalle bildete, ist nicht mehr vorhanden, er ist durch 
eine chemische Veründerung Malachit geworden und desshalb sind jetzt die 
tesseralen Krystalle Pseudokrystalle des Malachit nach Cuprit. 5o finden sich 
z. B. klinorhombische Krystale, deren Gestalt auf Krystalle des Datolith oder 
des Gyps zurückzuführen ist, jetzt aber substantiell zum Quarz gehóren. Sie 
sind Pseudokrystalle des Quarz nach Datolith oder nach Gyps, die aber nicht 
durch eine chemische Veründerung der einen oder der anderen Mineralsubstanz 
substantiell Quarz geworden sind. 
Aus diesen Beispielen ersieht man zunächst, dass Pseudokrystalle auf ver- 
schiedene Weise entstehen können und sie sind nach ihrer Entstehung auf ver. 
schiedene Weise unterschieden und eingetheilt worden. Allgemeine Kennzeichen 
der Pseudokrystalle, um sie als solche zu erkennen und von dimorphen Species zu 
unterscheiden, sind schwierig festzustellen, obgleich in der Regel den Pseudo- 
krystallen die Schärfe in der Ausbildung fehlt, ihre Masse gewôhnlich, besonders 
bei einiger Vergrösserung als krystallinisches Aggregat bis dicht erscheint, doch 
ist die mangelnde Spaltbarkeit, wie sie sich an anderen krystallisirten und 
krystallinischen Vorkommnissen derselben Substanz zeigt, meist ein sicheres 
Kennzeichen. Die Pseudokrystale wurden schon frühzeitig beachtet und in ihrer 
Bildung zu erklären versucht und bei der Wichtigkeit ihres Vorkommens, nament- 
lich in chemischer und geologischer Beziehung sind sie stets mit Aufmerksamkeit 
verfolgt und beschrieben worden. Bei der vielseitigen bezüglichen Literatur ist 
   
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
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