410 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
oder weniger rasch erfolgt und man stets ausgebildete Krystalle erblicken kann,
die sich sogar oft unter den Augen sichtlich vergróssern oder wachsen. Die
Bildung aber der Krystallmolecule und ihre Vereinigung zu Krystallen kann man
nicht wegen der ausserordentlichen Kleinheit der bezüglichen Objecte beobachten,
dafür bedarf man einer Hypothese.
Bei dem Wachsthum der Krystalle oder bei ihrer Vergrósserung durch das
Wachsthum nach ihrer Entstehung ist anzunehmen, dass die Krystallmolecule in
Folge der durch die Gestalt derselben geregelte Anziehungskraft sich meist auf
der ganzen Oberfläche der wachsenden Krystalle gleichmässig absetzen, wodurch
vergrössernde Schichten entstehen, welche aus reihenförmig geordneten Krystall.
moleculen zusammengesetzt sind. Hauv hat die Vorgänge solchen Wachsthums
entwickelt und gezeigt, wie die wachsenden Krystalle die gleiche Gestalt oder
durch gewisse Wechsel in der successiven Anlagerung der Krystallmolecule auch
andere Gestalten zeigen können, als sie ursprünglich hatten. Haben z. B. die
Krystallmolecule einer tesseralen Species hexaedrische Gestalt, so kann man
sich ohne Schwierigkeit vorstellen, wie von einem solchen Krystallmolecule aus-
gehend sich Krystalle von hexaedrischer Gestalt bilden und mit Beibehaltung
derselben Gestalt wachsen. Es würden sich an das hexaedrische K rystallmolecul
entsprechend den 6 Hexaederflàchen 6 solche Krystallmolecule anlegen, Fláche
an Fläche und in die Lücken würden sich weitere Molecule in paralleler Stellung
einschieben, wodurch der erste entstandene hexaedrische Krystall aus 27 Moleculen
bestünde. Setzen sich weiter auf diesen hexaedrischen Krystall, dessen Hexaeder-
flichen 9 Molecule enthalten, wieder je 9 Molecule in gleicher Stellung ab und
werden wieder die Lücken durch sich einschiebende Molecule ausgefüllt, so würde
der so durch die Vergrösserung gebildete náchstgróssere Krystall aus 125 Moleculen
zusammengesetzt sein, der náchstgróssere aus 343 u. s. f. wenn das Wachsthum
rundum in regelmàássiger Weise sich fortsetzte, und es würde dabei nur die durch
die hexaedrische Gestalt der Krystallmolecule beeinflusste Anziehungskraft in
dieser Weise die Vergrósserung, das Wachsthum der Krystalle bedingen.
Eine solche theoretisch in jeder Beziehung gleichmüssige Vergrósserung er-
zeugt immer wieder dieselbe Gestalt, da aber üussere Stórungen oder locale
Hindernisse eintreten können, so werden durch diese rechtwinklich parallelepi-
pedische Krystale mit ungleicher Ausdehnung der Flàüchen entstehen, wie man
dies háufig bei nebeneinander gebildeten Krystallen sieht, die aber immer als
hexaedrische aufgefasst werden und deren Fláchen in jeder Beziehung, nur nicht
in der Grösse und Gestalt als gleichartige Flächen anzusehen sind. Die so nach
und nach grösser werdenden Krystalle sind, wenn sie- eingewachsen vorkommen,
rundum ausgebildete Individuen, bei aufgewachsenen Krystallen kann nur das
Wachsthum in den Richtungen stattfinden, welche einen freien Zutritt der zum
Wachsthum beitragenden Krystallmolecule gestatten.
Würde dagegen ein irgend wie grosser als Hexaeder ausgebildeter Krystall,
den man sich als theoretisch vollkommenen vorstellen muss, sich so vergróssern,
dass auf jeder quadratisch gestalteten Hexaederfläche sich eine aus den hexa-
edrischen Krystallmoleculen bestehende Lage oder Schicht absetzte, welche als
quadratische Tafel gedacht von der Dicke der hexaedrischen Molecule von den
Hexaederkanten aus um eine Reihe Molecule kleiner wäre, so hätte diese Lage,
wenn die darunter liegende Hexaederfläche durch n? Molecule gebildet ist und
wobei, wie oben gezeigt wurde n eine ungerade Zahl ist, nur (n—2)? Krystall-
molecule aufzuweisen (ein Gesetz der Decrescenz nach Hauy). Würde bei
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