Full text: Handwörterbuch der Pharmakognosie des Pflanzenreichs (2. Abtheilung, 2. Theil)

Kamille. 
Kamille, edle. 
(Römische Kamille, Romai.) 
Flores Chamomillae romanae, Chamaemeli nobilis. 
Anthemis nobilis L. 
Syngenesia Superflua. — Compositae. 
Perennirende Pflanze mit schief laufender befaserter Wurzel, die mehrere 
anfangs niederliegende und z. Th. wurzelnde, dann aufsteigende, runde, dicke, 
Rasen bildende Stengel treibt, welche unten kahl, nach oben dicht mit ab- 
wechselnden, doppelt gefiederten, sehr fein zertheilten, fast glatten oder zart 
behaarten und etwas graugrünen Blüttern besetzt sind, deren Lappen dünn, 
pfriemfórmig und sehr kurz sind. Die Blumen stehen einzeln am Ende der 
Stengel und Zweige auf rundem weichhaarigem Stengel, der gemeinen Kamille 
ähnlich, aber noch einmal so gross und darüber, besonders die gewólbte Scheibe 
und der kegelfórmige Fruchtboden dicht mit nachenfórmigen, doppelt geságten 
Spreublüttchen besetzt. Variirt mit mehr oder weniger gefüllten Blumen. — Im 
südlichen Europa, auch in England einheimisch, bei uns in Gárten und auf 
Feldern gezogen. 
Gebriuchlicher Theil. Die Blumen; sie wcrden gewóhnlich von der 
halb- oder ganz gefüllten Varietät gesammelt in den Handel gebracht, und be- 
stehen, oberflächlich betrachtet, nur aus einem dicht gedrängten Köpfchen weisser 
Zungenblümchen. Ihr Geruch ist stark und angenehm aromatisch, dem der ge- 
meinen Kamille ähnlich; aber feiner, der Geschmack aromatisch und bitter, 
bitterer als von letzterer. 
Wesentliche Bestandtheile. Aetherisches Oel, Bitterstoff etc. Nur das 
ätherische Oel ist genauer untersucht; es besitzt nach GERHARDT eine grünliche 
Farbe (ist aber auch schon blau, grünlich weiss und bräunlich gelb erhalten 
worden, wahrscheinlich Folge des Einflusses, des Standorts), riecht angenehm, 
reagirt sauer und ist ein Gemisch, von ‚einem Kohlenwasserstoff und einem sauer- 
stoffhaltigen Oele, welches als der Aldehyd der Angelikasáure betrachtet werden 
kann. Die saure Reaktion. rührt von anhidngender Angelikasdure her. Nach 
ScHINDLER. enthalten. die Blumen eine der Baldriansáure ähnliche oder damit 
identische Säure. 
Verwechslung. Mit den gefüllten Blumen von Pyrethrum Parthenium; 
diese sind. kleiner, der Fruchtboden ist nackt und der Geruch widrig. 
Anwendung. Besonders als Thee, jedoch weniger bei uns als z. B. in 
England, wo die gemeine Kamille gar nicht benutzt wird. 
Geschichtliches. In den alten Klassikern lässt sich, die, römische Kamille 
nicht. mit Sicherheit nachweisen. Im 16. Jahrhundert war sie in den deutschen 
Apotheken noch selten: nach C. GESNER kam sie aus Spanien, auch hatte man 
sie schon früh in England in Gebrauch. CAMERARIUS fand sie wild in Italien und 
beschrieb sie unter dem. Namen Chamaemelum | odoratum italicum; die. gefüllte 
erhielt er von Dr. BRANCION in Mecheln. Hieron. Trajus, der sie für das wahre 
Hapdeviov des DIOSKORIDES hielt (das aber Pyrethrum Parthenium ist), scheint den 
noch immer gebräuchlichen Namen Chamomilla nobilis eingeführt zu haben. Als 
römische Kamille beschreibt sie zuerst CAMERARIUS, und zwar weil er die Pflanze 
um Tibur in der Nähe von Rom, zumal in der Villa Adriani in Menge sah; er 
besorgte auch schon eine recht gute Abbildung der gefüllten Form, während 
Trajus eine Halbgefiillte abbilden liess. 
Wegen Anthemis s. den Artikel Bertram. 
   
    
  
  
  
  
  
  
   
  
   
   
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
   
   
   
   
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
   
   
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
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