Full text: Handwörterbuch der Pharmakognosie des Pflanzenreichs (2. Abtheilung, 2. Theil)

446 Kreuzdorn. 
viel Staubfäden. Die Frucht ist erbsengross, beerenförmig, anfangs grün, zuletzt 
ganz schwarz mit 4 braunen Samen. — An Feldgebüschen, am Saume der Wälder 
durch den mittleren Theil von Europa wild, doch nicht sehr gemein vor- 
kommend. 
Gebräuchlicher Theil. Die Rinde und die Frucht. 
Die Rinde, von den jüngern Zweigen zu sammeln, ist aussen graubraun, 
glatt, trocken etwas runzlig, innen gelbgrün, riecht frisch etwas widerlich und 
schmeckt unangenehm bitterlich. Wirkt emetisch und purgirend. 
Die glatten glänzenden Beeren schrumpfen durch Trocknen sehr ein, so 
dass man die vierfächrige Struktur leicht erkennt, haben dann eine dunkelbraune, 
mehr oder weniger ins Grünliche gehende Farbe, und sind mit einem dünnen 
fadenförmigen, 6—8 Millim. langen, gekrümmten Stielchen versehen, welches 
oben noch mit dem schildfórmigen Restchen des Kelches gekrónt ist; beim 
Biegen bricht es leicht mit diesem Kelchtheile ab. Frisch haben die Beeren 
ein gelbgrünes Fleisch, trocken sind sie innen braun, fürben aber beim Kauen 
den Speichel grünlich, schmecken anfangs süsslich, hinterher aber ekelhaft bitter, 
und wirken purgirend. 
Wesentliche Bestandtheile. In der Rinde (Stammrinde) nach Bıns- 
WANGER: Rhamnoxanthin (s. Faulbaum), Fett, in Alkohol schwer lóslicher Bitter- 
stoff (Rhamnus-Bitter) amorphes Harz, eisengrünender Gerbstoff, Zucker etc. 
Die Wurzelrnde lieferte dieselben Stoffe. 
Aus den unreifen Beeren erhielt FLEURY einen in blassgelben blumenkohl- 
artigen Massen krystallsirenden Kórper von wenig hervorstechendem, dem Mehl. 
teig áhnlichem Geschmack, Rhamnin genannt. WINCKLER bekam aus den unreifen 
Beeren neben diesem Rhamnin auch den purgirenden Stoff (Cathartin, Rhamno- 
Cathartin) und zwar als ein goldgelbes, aloëartig bitter schmeckendes Pulver. 
Reife Beeren lieferten wohl Cathartin, aber kein Rhamnin, weshalb W. ver- 
muthet, dass das Rhamnin beim Reifen der Beeren in Cathartin und Zucker zer- 
falle. Auch BiNSWANGER gelang es nicht, aus reifen Beeren Rhamnin zu er- 
halten, wohl aber, wie WINCKLER, Cathartin, und ausserdem noch: violetten, durch 
Sáuren roth, durch Alkalien grün werdenden Farbstoff, eisengrünenden Gerb- 
stoff, Zucker, Pektin, Albumin. Die überreifen Beeren enthielten fast gar kein 
Cathartin, auch den Gerbstoff nicht mehr. Der Same enthält nach BINSWANGER 
dieselben Bestandtheile wie der des Faulbaumes (s. d.) 
Verwechselungen mit den Beeren des Faulbaumes und der Rainweide 
sind leicht zu vermeiden (s. diese beiden Artikel). 
Anwendung. Früher gab man die Beeren frisch und getrocknet als Ab- 
führmittel, ebenso die Rinde als Cathartico-Emeticum, bei Wassersucht, Poda- 
gra etc. Jetzt dienen sie nur noch zu einem Sirup. Aus den fast reifen bereitet 
man das Saftgrün; die überreifen geben eine rothe Farbe. Die Rinde dient 
zum Gelb- und Braunfärben. 
Geschichtliches. Der Kreuzdorn wurde in die Medicin eingeführt, weil 
man ihn für eine der von DiosKORIDES beschriebenen Rhamnus-Arten’hielt, was sich 
aber später als ein Irrthum ergab. Die erste bessere Beschreibung dieses Bäum- 
chens lieferte HiERONYMUS TRAGUS, und VALERIUS CORDUS spricht schon von der 
Bereitung des Saftgriins mit Alaun. 
Wegen Rhamnus s. den Artikel Brustbeere, rothe. 
  
      
   
  
   
    
  
    
  
   
   
   
   
   
  
   
   
  
  
  
  
   
   
    
    
  
   
    
   
   
     
    
    
    
     
   
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