Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 1. Band)

154 Handwörterbuch der Chemie, 
und «, verschieben, so würden «a, ... 95, 8.2... & Ti . (4 noch seitliche 
Verrückungen erfahren, die Hauptverschiebung, also der Hauptdruck wird stets 1n 
der Richtung der wirkenden Kraft erfolgen. 
Sind aber die Theilchen leicht beweglich, so behalten sie nur so lange ihre 
ursprüngliche Lage bei, als sie alle vollkommen symmetrisch liegen; so bald aber 
eine kleine seitliche Verschiebung etwa durch die Molekularbewegung eintritt, 
werden sich die Moleküle von Neuem so zu gruppiren suchen, dass alle nach 
allen. Richtungen gleich weit im Mittel von einander entfernt sind. Von dem 
mittleren Abstand nach einer Richtung ist aber der in dieser Richtung wirkende 
Druck bedingt. 
Verschieben sich die Moleküle oder die Atome in ihnen nur langsam wie 
bei zühen Kórpern, z. B. Canadabalsam, so wird im ersten Moment nach dem 
Wirken der Kraft noch ein einseitiger Druck vorhanden sein, er macht sich durch 
das Auftreten von Spannungen, die zu Polarisationserscheinungen Anlass geben, 
bemerkbar. 
Beobachtungen über diese Erscheinungen, die für unsere ganzen Anschauungen 
über die Flüssigkeiten von der gróssten Bedeutung werden müssen, hat zuerst 
MacH (46) angestellt, der bei weichgeschmolzenen Glasstücken beim schnellen 
Biegen Doppelbrechung auftreten sah und ebenso bei stark eingedickter Meta- 
phosphorsáure oder Canadabalsam, welche Substanzen er schnell comprimirte. 
Ebenso fand MaxwkLr (47) eine Doppelbrechung bei Canadabalsam, in dem er 
einen Spatel auf. und abbewegte und seitlich an demselben Licht vorbeisandte. 
Die eingehendsten Versuche liegen vor von KUNDT (48); er liess einen Cylinder 
schnei! in einer Flüssigkeit rotiren und umgab ihn mit einem zweiten concentrischen 
Cylinder, parallel der Achse wurde durch den Zwischenraum ein paralleles, 
polarisirtes Strahlenbündel gesandt und beobachtet, ob etwa Doppelbrechung 
auftrete. 
Die Versuche Kunpr'’s zeigten, dass keine Lösung eines Krystalloides eine 
Doppelbrechung zeigt, selbst wenn sie sehr zähe ist, dagegen zeigen viele Colloide 
und Oele eine Doppelbrechung und zwar bald eine positive, bald eine negative 
und zwar schon, wenn sie eine ziemlich kleine innere Reibung besitzen. Dass 
die Colloide eben vor allem diese Phänomene zeigen, könnte darauf schliessen 
lassen, dass dieselben von der Spannung in den sie bildenden Molekularcomplexen 
(Tagmen, s. Diffusion) herrührten. 
In den Flüssigkeiten müssen wir im Allgemeinen dieselben Moleküle als 
vorhanden denken wie in den Gasen und können nicht etwa annehmen, dass 
die Flüssigkeitsmoleküle sich aus mehreren Gasmolekülen zusammensetzen, denn 
Dispersion und Brechungsvermögen ist im flüssigen und gasförmigen Zustand 
gleich und ebenso die specifische Drehung der Polarisationsebene dieselbe (s. d.), 
während bei wirklich constatirbaren Polymerisation grosse Unterschiede vorhanden 
sind. Ausnahmen hiervon machen natürlich die Fülle, wenn derselbe Körper im 
flüssigen Zustand bei gleicher Temperatur wesentlich verschiedene Eigenschaften 
zeigt, wie z. B. der Schwefel, je nachdem man ihn mehr oder weniger hoch 
erhitzt hat. 
Die Zustandsgleichung für ein und dieselbe Flüssigkeit lässt sich nicht mehr in 
so einfacher Form wie diejenige der Gase darstellen. Selbst die verallgemeinerten 
Betrachtungen von vAN DER WAALS lassen uns im Stich, denn sie gelten nur 
so lange, als das Volumen des Körpers grösser als 26 ist. Etwa daraus die Ab- 
       
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
  
  
  
  
   
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