Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 1. Band)

184 Handwörterbuch der Chemie. 
gebenden Raum gegen die Anziehungskräfte geleistet wird, nicht aufgebraucht wird. 
Diese Arbeit ist aber sowohl von der Grösse der Kräfte bedingt, als auch von der 
Strecke, auf der diese Kräfte wirken, d. h. der Wirkungssphäre, sie hängt also 
eng mit der Capillaritátsconstante 77 zusammen. Eine vollkommene Theorie hat 
sich indess noch nicht entwickeln lassen. 
Das Sieden selbst geht bei Gegenwart eines Gasblüschens in der Weise vor 
sich, dass an dem heissen Boden des Gefüsses eine Reihe von Dampfmolekülen in 
dasselbe eindringen, das Blüschen wird dadurch vergróssert, lóst sich vom Boden 
los und steigt auf. Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn kein prä- 
formirtes Gasbläschen vorhanden ist. Besitzen auch einige Moleküle vereinzelt 
eine solche Geschwindigkeit, wie sie dem Gaszustande entspricht, so gelingt es 
ihnen doch nicht, die zur Bildung eines Hohlraumes schon in Folge der Capillar- 
phänomene nöthige Arbeit zu leisten, dies tritt erst dann ein, wenn zufällig eine 
grössere Anzahl derselben an demselben Punkte zusammentrifft. Wann eine solche 
Dampfbildung eintritt ist aber vollkommen unbestimmt, daher erklären sich auch 
die spontanen Explosionen, die selbst dann noch eintreten, wenn die Flüssigkeit 
lange Zeit auf derselben Temperatur erhalten worden ist. 
Den Siedepunkt bestimmt man am einfachsten in der Weise, dass man die 
Kugel eines Thermometers von dem Dampf umspülen lässt, es ist dies besser, 
als wenn man die Kugel in die Flüssigkeit selbst eintaucht; letzteres ist indess 
alsdann unumgänglich nöthig, wenn der Körper beim Sieden eine Zersetzung 
erfährt. Wirklich richtige Resultate erhält man aber nur dann, wenn man die 
Apparate so anordnet, wie sie zur Bestimmung des Siedepunktes bei Anfertigung 
von Thermometern dienen, d. h. wenn man den das Thermometer erwärmenden 
Dampf mit einem Dampfmantel von gleicher Temperatur umgiebt. 
Eine mit schon sehr kleinen Mengen Substanz zu freilich nur sehr ange- 
näherten Resultaten führende Methode hat PAwLEwsKI (42) angegeben. In ein 
kleines, oben mit einer seitlichen Oeffnung versehenes Rôhrchen wird etwas von 
der Substanz gebracht und über dieselbe die Kugel eines Thermometers gestellt. 
Man erwärmt das Ganze und liest in dem Moment die Temperatur ab, in dem 
aus der seitlichen Oeffnung ein lebhafter Dampfstrahl austritt und das Thermometer 
einen momentanen Stillstand im Steigen zeigt. 
Vielfach setzt man bei Angaben über den Siedepunkt stillschweigend voraus, 
dass derselbe bei dem Druck einer Atmosphäre ermittelt worden ist; neuerdings 
giebt man meist den Barometerstand mit an. 
Zwischen den Differenzen der bei verschiedenen Substanzen gefundenen 
Siedepunkte bestehen gewisse Regelmässigkeiten.  Dieselben sind aber nur 
angenähert gültig und kônnen es auch nur sein, denn der Druck einer Atmo- 
sphäre ist eine durchaus willkürliche Grösse. Versuche von LANDOLT haben 
überdies bewiesen, dass diese Beziehungen sich mit dem Druck ändern, indem 
die zwischen den Siedepunkten verschiedener Substanzen vorhandenen Differenzen 
sich mit dem Druck und zwar in verschiedener Weise ándern. Vielleicht werden 
sich für die Temperaturen, bei denen die Spannkráfte gleiche Bruchtheile des 
kritischen Druckes sind, einfachere Resultate ergeben. Dass überhaupt Regel- 
mässigkeiten auftreten, liegt wohl daran, dass für nahe aneinander liegende 
Glieder derselben homologen Reihe die kritischen Grössen nicht sehr verschieden 
sind, eventuell um gleichviel wachsen oder abnehmen. 
Was zunächst die Elemente anbelangt, so zeigt sich beim Siedepunkt eine 
ähnliche Abhängigkeit vom Atomgewicht, wie bei den Schmelzpunkten. Nur 
      
   
   
   
  
  
  
    
   
  
  
   
   
    
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
     
  
  
   
  
  
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