Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 1. Band)

Handwörterbuch der Chemie. 
schon vorher als Ammoniakrest darin anzunehmen pflegte. Ueber die übrige 
Constitution, d. h. über diejenige der den Ammoniak-Wasserstoff vertretenden 
complicirten Atomgruppen sind bis in’s letzte Jahrzehnt kaum Vermuthungen 
möglich gewesen. Die ersten derartigen Vermuthungen, welche ausgesprochen 
wurden, betrafen denjenigen Stickstoff, welcher in anderer Form als in derjenigen 
von Ammoniakresten in einigen Alkaloiden angenommen werden musste. Man 
fand nämlich, dass nicht in allen Fällen die Sättigungscapacität der Alkaloide 
ihrem Stickstoffgehalt entsprach, sondern dass z. B. Strychnin und Brucin zwei 
Atome Stickstoff enthielten und doch nur ein Molekül Salzsäure zur Sättigung 
gebrauchten. Von dem zweiten Stickstoffatom nahm FRESENIUS an (Ann. 6r, 
pag 149), dass es in Form einer sauerstoffhaltigen Gruppe wie NO, NO,, NO, 
vorhanden sei. HOFMANN (Ann. 66, pag. 148) wies indess darauf hin, dass zu 
dieser Annahme kein Grund vorliege und ein Mehrgehalt an Stickstoff zum Bei- 
spiel auch in Form einer Cyanverbinduug vorhanden sein kónne, ohne einen 
Einfluss auf die Sáttigungscapacitüt auszuüben. 
Eine Reihe spüterer Untersuchungen hat sich auf die Art der Bindung be- 
zogen, in welcher der Sauerstoff in Alkaloiden vorhanden ist. SCHÜTZENBERGER 
zeigte 1858 (Compt. rend. 47, pag. 233), dass sich Sáureradicale wie Acetyl, 
Benzoyl, in das Molekül des Chinins und Cinchonins einführen lassen. Aehn- 
liche Derivate stellte WarcHT (Chem. soc. J. [2] 12, pag. 1031; 13, pag. 15) aus 
verschiedenen Opiumbasen dar. Ihre Existenz führte zur Annahme von Hydroxyl- 
gruppen in den Alkaloiden. Die säureradicalhaltigen Derivate stehen freilich 
nicht immer in der unmittelbarsten Beziehung zu den ursprünglichen Alkaloiden. 
So hat SkRAUP (Ber. 1879, pag. 1107) es wahrscheinlich gemacht, dass das Sauer- 
stoffatom des Cinchonins nicht als Hydroxyl, sondern in Form von Methoxyl 
(OCH,) darin enthalten sei, im Chinin aber ein Sauerstoffatom als Methoxyl, das 
andere als Hydroxyl angenommen werden müsse. Beim Narcotin und Codein 
Jässt schon die Abspaltung von Methylchlorid beim Erhitzen mit Salzsäure 
(MATTHIESSEN, Ann., Supplem. 7, pag. 59, 177, 364) auf das Vorhandensein von 
Methoxylgruppen schliessen. Andere Sauerstoffatome hat man (z. B. im Narcotin 
und Narceïn, WricHT, Ber. 1876, pag. 279) allem Anschein nach als Keton- 
sauerstoff d. h. in der Gruppe CO vorkommend, zu betrachten. 
Einen tieferen Einblick in die Verkettung der Kohlenstoffatome im Molekül 
einiger Alkaloide gewann man erst durch die Erkennung der Constitution der 
Pyridin- und Chinolinbasen. Das Pyridin C;H;N wurde als eine dem Benzol, 
das Chinolin C,H;N als eine dem Naphtalin analoge Verbindung erkannt. In 
den beiden Basen nimmt ein dreiwerthiges Stickstoffatom die Stelle einer CH- 
gruppe des entsprechenden Kohlenwasserstoffs ein. Zu diesen beiden Basen 
stehen nun nachweislich verschiedene Alkaloide in naher Beziehung: Das von 
Könıcs zuerst (Ber. 1879, pag. 358) synthetisch dargestellte Chinolin ist seit 
langer Zeit bekannt als Produkt der trockenen Destillation von Cinchonin mit 
Alkalien. Auch aus Strychnin und verschiedenen anderen Alkaloiden scheinen 
bei derselben Operation Chinolin oder Homologe desselben zu entstehen. Die 
durch Oxydation des Nicotins entstehende Nicotinsäure ist eine Pyridinmono- 
carbonsäure (HUBER, Ber. 1870, pag. 849; Lamm, Ber. 1877, pag. 2136); sie 
liefert bei der Destillation mit Kalk Pyridin. Das Piperidi CjH,,N, ein 
Spaltungsprodukt des Piperins, giebt bei der Oxydation Pyridin, so dass es be- 
reits als einfaches Wasserstoffadditionsprodukt des Pyridins angesprochen wurde 
(Könıcs, Ber. 1879, pag. 2341). Auch die Opiumalkaloide sind mit dem Pyridin 
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
   
  
   
   
  
   
  
   
  
   
    
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