314 Handwörterbuch der Chemie.
Zustande gewinne. Dieser Umstand, sowie das Vorkommen des amorphen Hyoscins neben dem
Hyoscyamin machen es erklärlich, dass das letztere je nach dem Grad seiner Reinheit in sehr
wechselnden Mengen erhalten und sehr verschieden beschrieben wurde. Der Hyoscyamingehalt
in den verschiedenen Theilen von /yoscyamıs scheint ausserdem in hohem Grade von dem
Wachsthumsstadium der Pflanze abhängig zu sein. THOREY (101) erhielt aus Bilsenkrautsamen
0,081—0,163 §, aus den Früchten mit Samen 0,0147—0,066 2, aus den Blättern 0,042—-0,224 9,
aus den Wurzeln 0,006—0,30'1 4. (alles auf Trockensubstanz berechnet). WADGYMAR gewann aus
frischem Samen 0,52 2, aus frischem Kraut 0,145 2, HÓHN u. REICHARDT aus dem Samen nur 0,028 2.
Eigenschaften. Das reine, aus seinem Golddoppelsalz abgeschiedene
Hyoscyamin (61) krystallisirt beim Verdunsten seiner Chloroformlósung, oder wenn
seine concentrirte alkoholische Lösung in Wasser eingetragen wird, in seide-
glänzenden Nadeln. Die Krystallisation findet immerhin schwieriger statt, als die
des Atropins. Mitunter scheidet sich das Hyoscyamin aus Wasser oder verdünntem
Weingeist nicht in Krystallen, sondern als Gallerte ab. Schmp. 108,5°. (a)p =
— 14,5 (61). Das Hyoscyamin ist leicht lóslich in Alkohol, Aether und Chloro-
form, dagegen in reinem Zustande ziemlich schwer in kaitem Wasser. Es soll
bei vorsichtigem Erhitzen unzersetzt in Nadeln sublimizen (98) auch mit Wasser-
dämpfen etwas flüchtig sein (95). Das reine Alkaloid ist luftbestindig, das noch
unreine zieht Feuchtigkeit an und brüunt sich. Die Lösungen reagiren stark
alkalisch. Das Hyoscyamin und seine Salze wirken stark mydriatisch und sind
sehr giftig.
Reactionen. Mit den allgemeinen Füllungsmitteln, wie Kaliumquecksilberjodid, Jod-,
Jodkaliumlósung u. s. w. giebt das Hyoscyamin Niederschlüge; die den aus Atropin erhaltenen
sehr dhnlich sind (61). Platinchlorid giebt auch mit Hyoscyansn keine Füllung.
Salze. Die aus reinem Hyoscyamin dargestellten einfachen Salze konnte LADENBURG (61)
nicht krystallisirt erhalten, wührend von anderen Seiten verschiedene Salze (vielleicht z. 'Th.
Hyoscinsalze?), namentlich das salzsaure und schwefelsaure (99, 101, 100), sowie das salpetersaure
und oxalsaure Salz (106) als krystallisirbar beschrieben wurden.
Das Golddoppelsalz, C,;H,,NO,.HCI-AuCl, (61), bildet einen zunächst öligen, bald
krystallinisch erstarrenden Niederschlag. Es krystallisirt aus heissem Wasser in sehr charak-
teristischen, stark glánzenden, goldgelben, unregelmüssig begrenzten Blüttchen, die nicht unter
siedendem Wasser und im trocknen Zustande erst bei 160? schmelzen. Das Platindoppelsalz,
2(C,,H,,NO,-HCI)PtCI, (61, 53), bildet beim Verdunsten seiner wässrigen Lösung trikline
Krystalle, die bei 207—-210° schmelzen.
Ein Quecksilberdoppelsalz wird auf Zusatz von Quecksilberchlorid zu einer nicht zu
verdünnten Lósung von salzsaurem Hyoscyamin als ein Oel ausgeschieden, welches bald zu
hübschen Tafeln erstarrt. —
Aethylhyoscyamin. Das jodwasserstoffsaure Salz wurde durch Erhitzen von Hyoscyamin
mit Aethyljodid dargestellt (98).
Spaltung. Beim Erwärmen des Hyoscyamins mit Barytlösung tritt eine
Spaltung ein, als deren Produkte HónwN u. RkicHARDT (100) eine von ihnen als
»Hyoscin« bezeichnete Base C,H,,N, und die »Hyoscinsáure«, C,H,,0,, zu
erkennen glaubten. LADENBURG (61) wies nach, dass sich bei jener Reaction das
Hyoscyamin ganz in derselben Weise wie das Atropin in Tropin und Tropasáure
(resp. Atropasáure) spaltet. Von diesen Spaltungsprodukten ausgehend, vermochte
er, wie aus den damit identischen des Atropins, letzteres künstlich zu erzeugen,
somit Hyoscyamin in Atropin überzuführen.
Hyoscin, C,;,H,,NO,. Mit dem Atropin und dem Hyoscyamin isomeres Alkaloid, welches
das letztere im ZÆ/yoscyamus niger begleitet. Dass ein amorphes Alkaloid neben dem Hyoscyamin
in dieser Pflanze vorkomme, wurde bereits von BucHHEIM (94) vermuthet, der dafür den Namen
»Sikeranin« vorschlug. LADENBURG isolirte und untersuchte 1880 ein solches nicht krystallisir-
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