Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 1. Band)

620 Handwörterbuch der Chemie. 
(45, 46) wird schwefelsaures Anilin in viel kalter englischer Schwefelsäure gelöst, und unter 
starker Abkühlung die berechnete Menge ebenfalls mit Schwefelsäure sehr stark versetzter, rauchen- 
der Salpetersäure tropfenweise zugegeben. Dann wird unter Abkühlung mit Wasser verdünnt, mit 
Soda neutralisirt und die abgeschiedenen Nitraniline mit Wasserdämpfen destillirt, wobei das 
Paranitranilin zurückbleibt. Die Meta- und Orthoverbindung werden durch Umkrystallisiren aus 
Wasser oder Benzol getrennt. Para- und Metanitranilin werden nach dieser Methode in reichlicher 
Menge erhalten; Orthonitranilin entsteht nur in geringer Quantität. 
o. Nitranilin, C;H,NH,4NO,, entsteht ausserdem 1. durch Zersetzung des 
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Orthonitracetanilids oder Nitrobenzanilids (46) mit Alkalien; 2. durch Einwirkung von 
alkoholischem Ammoniak auf o. Dinitrobenzol (49), sowie durch partielle Reduction 
(50) desselben; 3. durch Erhitzen von Orthonitrobrombenzol (47) (Schmp. 43?), 
o. Nitrojodbenzol (Schmp. 49,4?) und o. Nitroanisol (48) mit concentrirtem wüsserigem 
Ammoniak auf 180—190° Das Orthonitranilin bildet rothgelbe, feine Nadeln, 
welche bei 71° schmelzen.‘ Es ist in kleinen Mengen unzersetzt flüchtig und mit 
Wasserdämpfen destillirbar. Durch Reductionsmittel entsteht o. Phenylendiamin. 
Die gelb gefürbten Salze sind wenig bestündig. 
m. Nitranilin wurde 1846 von HoOrMANN und MusPRATT (10) dargestellt 
und war das erste Beispiel einer Base, welche die Nitrogruppe enthält. Zur Dar- 
stellung (52) benutzt man das oben beschriebene Verfahren, oder man reducirt Metadinitrobenzol. 
Es werden 10 Thle. Metadinitrobenzol in 30 Thln. Alkohol gelóst, 5 'Thle. stürksten Ammoniaks 
zugesetzt und mit Schwefelwasserstoff gesüttigt. Nach dem Abdestilliren des Alkohols wird das 
ausgeschiedene Produkt durch mehrfaches Umkrystallisiren aus Wasser gereinigt. Durch Be- 
handlung einer alkoholischen Lósung von m. Dinitrobenzol mit Zinn und Salz- 
sáure làsst sich ebenfalls m. Nitroanilin darstellen. 
Die Base bildet lange, gelbe Nadeln, welche bei 112—114? (52) schmelzen, 
jedoch bereits bei 100? in prachtvollen Bláttchen sublimiren. Sie siedet bei 285°. 
Spec. Gew. — 1,430. Sie ist in 600 Thln. Wasser bei 18,5? lóslich, leicht lós 
lich in siedendem Wasser, Alkohol und Aether. Salpetersäure führt m. Nitro- 
anilin in Pikrinsäure über. Durch Natriumamalgam entsteht Hydroazoanilin; 
stärkere Reductionsmittel bilden m. Phenylendiamin. Salpetrige Säure bildet 
m. Diazonitrobenzol, welches durch Kochen mit Wasser in m. Nitrophenol um- 
gewandelt wird. Die meist krystalhsirbaren Salze werden durch Anilin und 
kohlensaure Alkalien zerlegt, theilweise zerfallen dieselben schon beim Kochen. 
Das salzsaure Salz bildet perlmutterglànzende, rhombische "Tafeln. 
Das Platindoppelsalz ist ein schwer lósliches gelbes Krystallpulver. 
p. Nitranilin wurde 1854 zuerst von ARPPE (53) durch Einwirkung von 
Alkalien auf Pyrotartranil dargestellt. 
CoH, SO Z N(C,H,NO,) 4- 2H,0 — C,H,NO,- NH, + CH COS, 
Es kann ebenfalls durch Zersetzung anderer Anilide, wie Nitracetanilid (57) 
oder Nitrobenzanild (58), am besten durch Kochen mit conc. Salzsüure und 
Umkrystallisiren aus Benzol oder Wasser erhalten werden. p. Nitranilin entsteht 
ausserdem durch partielle Reduction von p. Dinitrobenzol (55) und durch Ein- 
wirkung von Ammoniak auf p. Nitrobrombenzol (47) (Siedep. 125), p. Nitrochlor- 
benzol (50) und p. Nitroanisol (48). Lange, gelbe, monokline Nadeln oder sechs- 
seitige Tafeln, welche bei 147? schmelzen. Spec. Gew. — 1,424. Es sublimirt 
unzersetzt. Es ist lóslich in 1250 Thln. Wasser von 12,5? und in 45 Thln. kochenden 
Wassers; leicht löslich in Alkohol und Aether. Durch Reductionsmittel entsteht 
p. Phenylendiamin, durch Kochen mit conc. Alkalien wird p. Nitrophenol gebildet. 
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