Handwörterbuch der Chemie.
Als Oxydationsmittel benutzt man zur Darstellung der aromatischen Säuren
entweder verdünnte Salpetersäure, oder Chromsäure, oder Kaliumpermanganat.
Die Wahl unter diesen Oxydationsmitteln hat sich nach der Natur des
Kohlenwasserstoffs und ausserdem danach zu richten, wie weit man ihn zu oxy-
diren beabsichtigt. In ersterer Beziehung ist zu berücksichtigen, dass Kohlen-
wasserstoffe mit in Orthostellung zu einander befindlichen Seitenketten nicht die
Anwendung der Chromsáure erlauben, weil sie durch diese vollstindig verbrannt
zu werden pflegen. Das Ortho-Dimethylbenzol (Orthoxylol) z. B. lässt sich nicht
durch Chromsäure zu Phtalsáure oxydiren, sondern wird durch diese vóllig zer-
stört. Bei solchen Kohlenwasserstoffen lässt sich hingegen verdünnte Salpeter-
sáure oder übermangansaures Kalium anwenden.
Die Anwendung der verdiinnten Salpetersäure führt bei Kohlenwasser-
stoffen mit mehreren Seitenketten vorwiegend zur Bildung einbasischer Süuren
und ist daher zur Darstellung der letzteren gewóhnlich in erster Linie zu
empfehlen, wenn auch keineswegs die oxydirende Wirkung der Salpetersüure mit
der Bildung jener einbasischen Sáuren ihre definitive Grenze erreicht.
Da stürkere Salpetersáure wesentlich nitrirend wirken würde, wendet man
nur etwa 10—15procentige Sáure an. Diese muss anhaltend mit dem Kohlen-
wasserstoff am Rückflusskühler gekocht werden. Wenn die Siedhitze nicht er-
reicht werden soll, darf der Kohlenwasserstoff nur in sehr dünner Schicht die
möglichst grosse Oberfläche der verdünnten Salpetersäure bedecken.
Auch bei der angegebenen Verdünnung ist eine Nitrirung nicht ganz zu
vermeiden, so dass die entstandenen Säuren von Nitrosäuren befreit werden
müssen. Es geschieht dies dadurch, dass man die rohe Säure mit salzsaurer
Zinnchlorürlösung oder mit Zinn und Salzsäure erhitzt und die unangegriffene
Säure, resp. das Gemenge verschiedener einbasischer Säuren, im Wasserdampf-
strom abdestillirt. Die aus den Nitrosäuren entstandenen Amidosäuren bleiben
an Salzsäure gebunden im Rückstand, zusammen mit den eventuell als Neben-
produkt gebildeten mehrbasischen Säuren.
Bei der Oxydation durch Chromsäure wendet man eine Lösung der reinen
Säure, oder gewöhnlicher ein Gemisch von dichromsaurem Kalium und Schwefel-
säure an (etwa 2 Thle. Dichromat, 3 Thle. Schwefelsäure und 5 Thle. Wasser)
und zwar 1 Mol. Dichromat auf jede zu oxydirende Methylgruppe. Auch hier
muss anhaltend gekocht werden. Das Verfahren eignet sich vorzugsweise für die
Fälle, wo nur eine Seitenkette im Kohlenwasserstoff vorhanden ist, oder wo bei
mehreren vorhandenen Seitenketten (soweit hier nach dem oben Gesagten Chrom-
säure überhaupt anwendbar ist) mehrere dieser Seitenketten oxydirt werden sollen.
Die Oxydation durch Kaliumpermanganat hat vor der Anwendung der
Salpetersäure den Vorzug, dass keine Nebenprodukte, wie dort die Nitro-
verbindungen entstehen; gegen die Anwendung der Chromsäure bietet sie den
Vortheil, dass bei Anwendung berechneter Mengen des Oxydationsmittels in
passenden Verdünnungsgraden und durch Einhalten bestimmter Temperaturen es
leichter ist, die Oxydation auch beim Vorhandensein mehrerer Seitenketten
wesentlich auf die Bildung der gewünschten Produkte zu beschränken. Selbst
ziemlich verdünnte neutrale Lösungen des Permanganats wirken in der Kälte
oder in mässiger Wärme noch auf die Kohlenwasserstoffe ein, doch ist, wenn
man unter Siedhitze operiren muss, beständiges oder sehr häufiges Schütteln
durchaus erforderlich, Auch Orthoderivate des Benzols, wie Orthoxylol, werden
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