Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 8. Band)

   
    
   
   
   
   
    
    
  
   
  
  
  
  
   
    
  
     
      
  
   
    
  
  
  
  
   
    
    
  
   
    
   
272 Handwörterbuch der Chemie. 
  
Hydroxyl genügt schon ein blosses Kochen mit Ammoniak. So entsteht die 
Chrysanissäure bei anhaltendem Kochen von Dinitranissäure mit Ammoniak (33): 
C,H, COOH-OCH, NO,-NO,-+NH,—C,H, COOH-NH,-NO,NÔ,+ CH,OH, 
die Dinitroamidohydrozimmtsäure beim Erhitzen von Dinitro-p-bydrocumaräthyl- 
âthersäure mit alkoholischem Ammoniak auf 100° im Rohr (34). 
Auch die Ester der Oxysäuren lassen sich leicht nitriren. 
Die Nitrirung von aromatischen Nitrilen, Aldehyden, Ketonen, Azo- 
verbindungen, Sulfonsäuren zeigen keine weiteren Besonderheiten; die 
Nitroprodukte der letzteren zeichnen sich aus durch ihre Leichtlöslichkeit in 
Wasser. 
Die Pyridinderivate, welche im Uebrigen so vielfache Uebereinstimmung 
aufweisen mit den Benzolkörpern, weichen in ihrem Verhalten gegen Salpeter- 
sáure vóllig davon ab; sie bilden keine Nitroprodukte damit. Nur die Körper 
der Chinolinreihe, welche ja neben dem Pyridinkern auch den Benzolkern 
enthalten, können in Nitroderivate übergeführt werden unter ziemlich àhnlichen 
Bedingungen wie die aromatischen Kohlenwasserstoffe. Dabei entstehen gewóhn- 
lich und gleichzeitig nebeneinander Ortho- und Meta-(Ana)-Derivate, bei energi- 
scherer Wirkung auch Dinitroprodukte. Am besten lóst man die Chinolinbase 
in der äquivalenten Menge concentrirter Salpetersäure, trägt diese Lösung in ein 
Gemisch etwa gleicher Theile Salpeter-Schwefelsäure und erwärmt eventuell noch 
etwas. So wurden aus Chinolin (52) und Chinaldin (53) die entsprechenden 
Ortho- und Meta- (Ana-) Derivate dargestellt. 
Eigenschaften. Die Nitrokórper der aromatischen Reihe sind gewóhnlich 
in Wasser schwer lósliche, wenig oder gar nicht flüchtige Verbindungen. Nur 
Mononitroderivate, namentlich der Kohlenwasserstoffe, lassen sich zuweilen mit 
Wasserdámpfen verflüchtigen oder unzersetzt destilliren. Ihr Siedepunkt liegt 
stets hóher als bei den entsprechenden Halogensubstitutionsprodukten. Polynitro- 
verbindungen sind weder für sich noch mit Wasserdampf flüchtig und erleiden 
bei raschem Erhitzen meist Zersetzung unter Verpuffung. 
Die Nitrokórper sind gewóhnlich mehr oder minder stark gelb, auch roth 
gefärbt; mit Ammoniak wird ihr Farbenton dunkler. Die Nitrogruppe ist ein 
sogenanntes Chromophor (Wrrr), die jeden Kohlenwasserstoff zu einem Chromo- 
gen umzugestalten vermag, d. h. zu einem Kórper, der zwar an und für sich 
noch kein Farbstoff ist, durch Hinzutritt einer salzbildenden Gruppe aber, in 
diesem Falle OH oder NH,, in einen Farbstoff überzugehen vermag. 
Verschiedene Nitrophenole und Nitramine finden daher auch als Farbstoffe 
praktische Anwendung, so der älteste aller künstlichen Farbstoffe, die 1771 ent- 
deckte Pikrinsäure, das Flavaurin (Dinitrophenol-p-sulfonsäure), das Victoriagelb 
(Dinitrokresol), das Martiusgelb (Dinitro-a-naphtol), das Naphtolgelb (Dinitro-a- 
naphtolsulfonsäure), das Citronin und Aurantia (Kaisergelb) (Tetranitro- resp. 
Hexanitrodiphenylamin) (s. Bd. IV, pag. 24). 
Ihre wichtigste Rolle spielen indess die aromatischen Nitroverbindungen als 
Ausgangs- resp. Uebergangsprodukte zur Darstellung der Azo- und Amidokörper. 
Sie unterliegen nämlich leicht der Reduction und zeigen dabei ein sehr charakte. 
ristisches Verhalten, je nachdem diese Reduction erfolgt in alkalischer oder 
aber in saurer Lösung. 
Durch alkalische Reductionsmittel entstehen als Zwischenprodukte der 
vollständigen Reduction die Azoxy-, Azo- und Hydrazokörper. Bei gemässigtem 
     
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