Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 10. Band)

      
   
   
  
    
     
    
  
    
   
    
     
    
   
   
  
   
    
     
   
   
    
  
   
   
      
   
    
  
    
    
     
   
     
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Selen. 607 
MnO-2SeO,-5H,0. Aus gefültem Manganhyperoxyd und seleniger Säure 
wurde durch Erhitzen im Rohre auf 220? Mn,O,-2SeO, dargestellt. 
Chemisches Verhalten der selenigen Sáure. Wie schon hervor- 
gehoben, ist das Selendioxyd dem Schwefeldioxyd analog zusammengesetzt, die 
selenige Säure entspricht der (nur in Lösung bekannten) schwefligen Sáure H,SO, 
und die Selenite den Sulfiten. Beide Reihen von Verbindungen zeigen in ihrem 
chemischen Verhalten viele Analogien, aber auch charakteristische Unterschiede, 
Ein solcher macht sich namentlich darin bemerkbar, dass die schweflige Sáure 
ein Reductionsmittel ist, insofern sie anderen Kórpern Sauerstoff zu entziehen 
vermag, wihrend die selenige Sdure im Gegentheil selbst reducirt wird, da sie 
ihren Sauerstoff leicht an oxydable Korper abgiebt. Dies beweist, dass die Ver- 
wandtschaft des Sauerstoffs zum Schwefel grösser ist, als jene zum Selen, wie 
schon oben betont wurde. Ja es vermag die schweflige Säure der selenigen 
Säure ihren Sauerstoff direkt zu entziehen. Leitet man schweflige Säure in eine 
Auflösung von seleniger Säure, so wird Selen in Freiheit gesetzt: 
H;SeO,; + 250, + H,O — 2H,SO, 4 Se. 
Diese Umsetzung ist nur dann ohne Zusatz einer Säure vollständig, wenn 
beide Stoffe im Verhältniss von 28O0,:18eO, auf einander wirken (144). Bei 
jeder Ueberschreitung dieses Verháltnisses nach der einen oder der anderen 
Seite ist die Reduction unvollständig oder bleibt ganz aus. Der thermische 
Effect der Reaction ist + 71100 cal. 
Die Abscheidung des Selens wird durch Belichtung sowie Erwärmung unter- 
stützt, namentlich aber durch einen Gehalt der Lósung an freier Salzsáure, ob- 
gleich diese dabei, wie RosE nachgewiesen hat, ganz unveründert bleibt. 
Man kann die Reaction im letzteren Falle nach MicHAELIS (145) dahin 
deuten, dass in der Lósung eine tetrahydroselenige Sáure (Orthoselenige Sáure) 
enthalten ist, die durch die Salzsäure zunächst in ihr Chlorid übergeführt wird: 
Se(OH), + 2HCl = s Om» + 29H,0, 
welches dann durch die schweflige Säure unter Rückbildung von Salzsäure reducirt 
wird: 
Se (OR T3H,SO0, — 23H,80, 4- 3HCI + Se. 
Unterstützt wird diese Ansicht durch die Wahrnehmung, dass beim Abdampfen 
einer Lósung von seleniger Säure in Salzsäure Chlorselen entweicht (146). 
Nimmt man die Fällung in rein wässriger Lôsung der selenigen Säure vor, 
so bleibt das abgeschiedene Selen einige Zeit in colloidaler Form gelôst und 
färbt die Flüssigkeit im durchfallenden Lichte roth, im auffallenden undurchsichtig 
rothbraun; die Farbe der Flüssigkeit ist noch bei einer Verdünnung von 1 Thl. 
Selen auf 10000 Thle. Wasser deutlich rothgelb. Beim Kochen bleibt die Lósung 
des colloidalen Selens unverändert, auf Zusatz von Säuren oder Salzen aber tritt 
die gewöhnliche Fällung in rothen Flocken ein (144). 
Wirken schweflige und selenige Säure in anderen Molekularverhältnissen als 
2:1 in wässriger Lösung auf einander ein, so entstehen selensubstituirte Trithion- 
süuren (s. u.). 
Selendioxyd lässt sich durch trockenes Schwefeldioxyd bei keiner Temperatur 
reduciren, sublimirt vielmehr in einem Strome des letzteren unverändert (144), 
offenbar weil Schwefeldioxyd und Sauerstoff nur unter bestimmten Bedingungen 
sich direkt zu SO, verbinden kónnen.
	        
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