Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 10. Band)

  
Handwörterbuch der Chemie. 
Zur Entfernung kleiner Mengen von Schwefelsäure wird das Selenchlorür 
unter Ausschluss von Feuchtigkeit mit Chlorkalium digerirt und nach einiger 
Zeit davon abgegossen. Es stellt im reinen Zustande eine schwere, schön tief- 
rothe Flüssigkeit dar, deren Geruch an den des Schwefelchlorürs erinnert, aber 
schwächer ist. Das spec. Gew. bei 17:5? ist 9:906; bei gewóhnlicher Temperatur 
ist die Verbindung etwas flüchtig; bei 100? entwickelt sie einen dünnen, orange- 
farbenen Dampf, beginnt bei 143? zu sieden und dissociirt sich bei stürkerem 
Erwürmen in SeCl, und Se (173, 177). Doch wurde die Dampfdichte bei 200 
bis 250° von Evans und Ramsay (177) noch nahezu gleich der normalen, der 
Formel Se,Cl, entsprechenden, gefunden. Chloroform, Benzol und Tetrachlor- 
kohlenstoff lósen; Wasser, Alkohol und Aether zersetzen langsam, ebenso Kali- 
lauge. Schüttelt man aber die Lósung in Schwefelkohlenstoff mit Wasser, so 
tritt leicht vollständige Zersetzung in Salzsäure, selenige Säure und freies 
Selen ein: 
28e,Cl, 4- 3H4,0 — H48eO0, + 3Se + 4HCl. 
Chlorselen lóst in der Würme. reichliche Mengen von Selen auf, das sich 
dann beim Erkalten wieder theilweise in metallischer Form abscheidet (42). 
Das Absorptionsspectrum des Dampfes zeigt Linien, die auf der Grenze von 
Grün und Blau beginnen und sich bis ins áusserste Violett fortsetzen (174). 
Die Constitution des Selenmonochlorids ist wahrscheiulich derjenigen des 
IV II 
Schwefelchlorürs entsprechend: SeSeCl, und es kann ersteres daher auch als 
Selenselenochlorid bezeichnet werden. 
Durch Phosphor wird das Selenchlorür zersetzt unter Abscheidung von Selen 
und Bildung von Phosphorchlorür: 
3 Se, Cl, + 2P = 2PCI, + 3Se, ; 
mit Phosphorpentachlorid vereinigt es sich zu einer gelben, in der Hitze rothen 
Verbindung [BAUDRIMONT (175). 
Selentetrachlorid, Vierfach-Chlorselen, Selenchlorid,  SeCl,. 
Diese Verbindung bildet sich, wenn Selen in einem Ueberschuss von Chlor er- 
hitzt wird, was am besten durch Ueberleiten des Chlors iiber das in einem 
Schiffchen in einem langen, schwer schmelzbaren Glasrohr enthaltene Selen ge- 
schieht, oder beim Behandeln von Selenchloriir mit Chlor; besser aber durch 
Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Selendioxyd, wobei zunüchst unter 
starker Erwärmung und Verflüssigung der Mischung Selenylchlorür und Phosphor- 
oxychlorid entstehen: 
SeO, +4 PCl; = SeOCI, + PCI,O, 
dann wird die Masse aber plótzlich wieder fest und die gebildeten Zwischen- 
produkte setzen sich zu Selentetrachlorid und Phosphorpentoxyd um (176): 
3Se OCI, + 2PCI,O = 3Se CI, + P,O,. 
Beide Vorgänge zusammen lassen sich durch die eine Gleichung wieder- 
geben: 
35e O, + 3PCI, = 3SeCl, -- P,0, -- PCI,O. 
Man wendet auf 13 Thle. Phosphorpentachlorid 7 Thle. Selendioxyd an und 
fügt letzteres allmáhlich zu dem in einem langhalsigen Kolben befindlichen Penta- 
chlorid. Das entstandene Phosphoroxychlorid wird durch Erwürmen im Kohlen- 
sáurestrome abdestillirt, das Selentetrachlorid aber durch Sublimiren in den 
Hals des Kolbens von dem Phosphorpentoxyd getrennt. Aus dem überdestillirten 
Phosphoroxychlorid krystallisirt meist nach einiger Zeit noch etwas Selentetra- 
chlorid in glänzenden Würfeln aus. 
   
      
  
     
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
   
   
    
    
  
   
     
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
    
  
    
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