Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 13. Band)

522 Handwörterbuch der Chemie. 
Zaine von geschmolzenem Zinn zeigen eine deutlich krystallisinische Structur. 
Nach dem Waschen der Oberfläche mit Salzsäure oder verdünntem Königswasser 
werden sehr glänzende, baumartige Gebilde sichtbar. Wenn man eine Zinn- 
stange mehrere Male hin und her biegt, so erwärmt sie sich an der Biegungs- 
stelle, und man vernimmt ein eigentümliches Geräusch, das sogen. »Zinngeschrei«, 
welches durch den Bruch der die Masse bildenden kleinen Krystalle ver- 
ursacht wird. 
Wenn man Zinn in einem Tiegel schmilzt und die bei langsamem Erkalten 
zunüchst gebildete obere, starre Schicht durchstósst, um das noch flüssige 
Metall herausfliessen zu lassen, so erhált man — im Gegensatz zu dem gleichen 
Verfahren beim Wismuth — nur undeutlich ausgebildete Krystalle. 
Mir.LER hat durch tagelange Einwirkung eines sehr schwachen elektrischen 
Stromes auf eine verdünnte Lósung von Zinnchlorür am negativen Pol Krystalle 
manchmal hemitropische, erhalten, die er von einem quadratischen Prisma ab- 
leiten zu kónnen glaubt. Die Dendriten, welche man durch Reduction einer 
Zinnchlorürlósung mit einem andern Metall erhält, zeigen nach FRANKENHEIM 
(19) verschiedene Winkel, besonders die von 90° 45', und da die äussersten 
Enden oft aus vollkommenen Würfeln bestehen, so schliesst FRANKENHEIM auf 
Formen, die dem regulärcn System angehören. 
Nach STOLBA (20) kann man schône Zinnkrystalle in folgender Weise er- 
halten. Man stellt auf ein in einer Porcellanschiissel befindliches, amalgamirtes 
Zinkblech eine Platinschale, deren Aussenseite ausser an der Berührungsstelle 
mit einer Paraffinschicht bedeckt ist. Man füllt die Schale mit einer verdünnten, 
schwach sauren Lósung von Zinnchlorür und bringt in die Porcellanschale verdünnte 
(1:20) Salzsáure, so dass in beiden Gefüssen die Flüssigkeiten dasselbe Niveau 
haben. Man bat so ein Element, welches einen schwachen Strom liefert, und nach 
einigen Tagen sind schone Blitter von krystallisirtem Zinn gebildet. Es sind 
rechtwinklige Tafeln von 2 Millim. Dicke und 1 Centim. Seitenlünge, welche in 
horizontalem und verticalem Sinne gestreift sind. 
Man erhält ferner gute Zinnkrystalle, wenn man auf eine saure concentrirte 
Lósung von Zinnchlorür Wasser giesst, mit der Vorsicht, dass sich beide Flüssig- 
keiten nicht mischen. Wenn man nun ein Zinnblech hineintaucht, so sieht man 
nahe der Trennungsschicht beider Flüssigkeiten alsbald schóne Nadeln von 
Zinn, an dem Blech haftend, erscheinen, deren Grósse rasch zunimmt. Zugleich 
lóst sich der Theil des Zinnblechs, welcher in das Zinnchlorür taucht, auf, 
wobei nach HILLER (21) das Gewichtsverhältniss des gelósten zu dem des aus- 
geschiedenen wie 7:6 ist. Die sehr glinzenden, oft centimeterlangen Nadeln 
sind immer sehr dünn. — Auch wenn man Zinnoxydul unter geeigneten Be- 
dingungen mit Alkalien behandelt, scheiden sich Krystalle von metallischem 
Zinn aus. 
Eine zweite allotropische Form des Zinns entsteht durch die Einwirkung 
starker Kälte auf das Metall Beamte von russischen Zinnniederlagen haben 
zuerst bemerkt, dass bei sehr niedriger Temperatur das Blockzinn brüchig und 
seine Oberfláche blasig, kórnig wird und sich oft mit Krystallnadeln bedeckt. Im 
Winter von 1867 auf 1868 hat FRrrZsCHE (22) in St. Petersburg beobachtet, dass 
Blöcke aus reinem Bancazinn sich aufbláhter und in ihrer ganzen Masse eine 
fasrige und krystallinische Struktur annahmen, wáhrend im Innern sich Hóhlungen 
bildeten, die mit glánzenden Krystallen ausgekleidet waren.  Uniformknópfe aus 
Zinn waren zu Pulver zerfallen. SCHERTEL (24) hat an Medaillen und Ringen 
       
   
  
  
  
   
    
    
   
    
   
  
   
  
  
    
  
    
  
   
   
  
    
   
    
   
    
   
    
    
  
   
  
  
   
      
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