INDUSTRIEPHOTOGRAMMETRIE IM
STEINKOHLENBERGBAU AN DER RUHR
B-G Müller
RWIH Aachen, West Germany
1. Geophotogrammetrische Voraussetzungen
Mit der zunehmenden Ausdehnung bzw. Verlage-
rung des Steinkohlenbergbaues weit über das
ursprüngliche "Ruhrgebiet" hinaus hat das
Problem der Lagerstüttenerkundung besondere
Bedeutung erlangt. Moderne Vortriebsmaschinen
udgl. lassen sich unter Tage um so wirtschaft-
licher einsetzen, je genauer man über die
Lagerung und Ausdehnung des jeweils betrach-
teten Steinkohlenflózes Bescheid wei8. Bei
den notwendigen Vorfelderkundungen haben sich
u.a. gefügekundliche Untersuchungen sehr be-
wáhrt. Dazu sind an zahlreichen MeB8stellen im
Vortrieb und in der Gewinnung jeweils móglichst
viele gefügestruktuelle Fláàáchen aufzunehmen.
Es interessieren nicht nur die als "Schlechten"
bezeichneten Trennfláchen in der Kohle; auch
die "Klüfte" im Nebengestein geben wertvolle
Hinweise.
Bei der herkómmlichen Aufnahme von Gefüge-
strukturfláchen werden im Bereich einer jeden
Me8stelle mit dem Geologenkompa8 hinreichend
viele und als repásentativ anzusehende Flichen
eingemessen in bezug auf
- Streichen durch Messung des magnetischen
Richtungswinkels der als Geraden
auftretenden Hóhenlinien der
Schichtfläche,
- Fallen durch Messung des Vertikalwinkels
der Schichtflaáche entlang der Fall-
linie in bezug auf eine horizontale
Ebene.
Die herkómmliche Auswertung gefügekundlicher
Messungen erfolgt durch manuelle Eintragungen
in das "SCHMIDT'sche Netz" *).
*) In dieser Abhandlung sollen einige für den
untertágigen Einsatz der Photogrammetrie im
Steinkohlenbergbau bedeutsame, allgemein aber
weniger bekannte Voraussetzungen ausführlich
behandelt werden, da hierfür bei dem münd-
lichen Vortrag die Zeit nicht reicht. Dafür
verzichtet diese Darstellung auf die Wieder-
gabe der im mündlichen Vortrag gezeigten
Bilder.
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Hierbei handelt es sich um die LAMBERT'sche
fláchentreue Projektion einer nach oben ge-
óffneten Halbkugel auf die kreisfdrmige obere
Begrenzungsfláche. Alle eingemessenen Trenn-
fugenflàchen lassen sich ohne Richtungsánde-
rung durch den Mittelpunkt der Halbkugel legen.
Die in diesem Punkt errichteten Flächennor-
malen definieren mit ihrem Durchstoßpunkt auf
der Halbkugeloberfläche eindeutig das ge-
messene "Streichen" und "Fallen" der betrach-
teten Fläche. Diese Eindeutigkeit ist selbst-
verständlich auch gegeben, wenn man die
Messungsergebnisse in die o.g. Projektion der
Halbkugeloberfläche einträgt. Man erhält so
kreisförmige Gefügediagramme. Die Lage und
Häufigkeit der darin abgebildeten Punkte re-
präsentieren übersichtlich und exakt die
Winkellagen aller eingemessenen Trennfugen-
flüchen. Es entsteht u.a..so eine zuverlássi-
ge Unterlage zur Analyse der Beanspruchungs-
richtungen der Lagerstátte und ihrer Inten-
sitäten.
Für übertägige Aufgaben haben wohl als erste
LINKWITZ (12) und LOSCHNER (13) den Einsatz
der terrestrischen Photogrammetrie zur Ein-
messung von Trennfugenflächen behandelt *).
ADLER und BODECHTEL (vgl. (1) bis (4)) schu-
fen zusammen mit ihren Mitarbeitern und in
Verbindung mit der Firma ZEISS wichtige Vor-
aussetzungen für den routinemáfBigen Einsatz
der Photogrammetrie unter Anwendung gebráuch-
licher EDV-Programme (als grundlegende Ent-
wicklung sei hier nur erwáhnt die "GEfüge-
kundliche Programmiersprache mit LIstenstruk-
tur, l.Leistungsstufe", genannt "GELI 1", vgl.
(9)).
Durch vergleichende Untersuchungen wurde fest-
gestellt, daB die auf photogrammetrischem
Wege ermittelten Messungsergebnisse praktisch
zu den gleichen Gefügediagrammen führten, die
man aufgrund von KompaBmessungen erhielt (be-
züglich übertaágiger Messungen vgl. z.B. (1)
S. 188-190, bezüglich erster Messungen unter
Tage vgl. (10) S. 236 f.bzw. (11) S. 256.
LAUTSCH ((10) S. 236 bzw. (11) S. 255) hob
neben der Vereinfachung und Verkürzung der
kórperlichen Arbeit unter Tage, der wesent-
lichen Steigerung der Genauigkeit und der
Verbessung der Objektivität der Einmessung
als weitere Vorteile des photogrammetrischen
Meßverfahrens hervor:
- die Zeit, in der durch den Meßvorgang der
Betriebsablauf gestórt oder unterbrochen ist,
kann im Vergleich zum Kompaf$verfahren erheb-
lich verringert werden,
- die beim Einmessen der Gefügestrukturflüáchen
von Hand mógliche Unfallgefahr wird bei der
photogrammetrischen Methode weitgehend aus-
geschaltet,
- die photographische Aufnahme selbst ist eine
interessante und für die Diskussion be-
stimmter Probleme sehr nützliche Dokumenta-
tion des betreffenden Aufschlusses.
2. Das bisherige photogrammetrische Konzept
der RAG
Seit dem Jahre 1975 betreibt die Ruhrkohle AG
(RAG) unter der Leitung von Dr.-Ing. K.H.
RÜLLER (Bergbau AG Niederrhein) ein Forschungs-
und Entwicklungsvorhaben "Entwicklung der ge-
fügekundlichen Bearbeitung der Tektonik für
E Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich
auf die im Abschnitt 6. zusammengestell-
ten Literaturhinweise.