Full text: Lehrbuch der physiologischen Chemie

      
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
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Ein Blick auf die S. 115 angeführte Polypeptidkette zeigt, wie mannigfaltig die 
gewissermaßen als Seitenketten aus dem Molekül herausragenden Atomgruppen 
sind. Phenol-, Imidazol-, Guanidin-, Oxy-, Karboxyl-, Amino- usw. Gruppen sind 
vorhanden. Neben basischen finden wir saure Gruppen. Sie kónnen untereinander, 
wie in der obigen Formulierung durch ... angedeutet, in Beziehung treten und 
mit ihrer Hilfe sind Bindungsmóglichkeiten mit anderen Stoffen gegeben. Es 
wird mit der Móglichkeit gerechnet, daB durch derartige Bindungen ein Ring- 
system entsteht (Zykloltheorie der Proteinstruktur). Es würden in diesem Fall 
erst beim Abbau von Proteinen eigentliche Polypeptide entstehen. Alle diese be- 
sonderen Anordnungen von Atomen haben ihre funktionelle Bedeutung, und zwar 
im chemischen wie im physiologischen Sinne. Von ihnen aus kónnen Beziehungen 
zu anderen Verbindungen aufgenommen werden. Wir haben ja im Protoplasma der 
Zelle nicht EiweiBteilchen, Phosphatidanteile, Mineralstoffe, Wasser usw. neben- 
einander, vielmehr bilden alle diese Bestandteile ein fein ausreguliertes System, 
von dem aus jene Einflüsse ausgehen, die notwendig sind, um den Zellstoffwechsel 
in bestimmten Bahnen zu halten und je nach Bedarf so zu steuern, daß ein in 
jedem Augenblick erforderliches besonderes Zellmilieu gewáhrleistet ist. Die ,, Ganz- 
heit" schafft erst die Vorbedingung für das, was wir Lebensvorgánge nennen! 
Wir haben schon S. 107 angedeutet, wie unübersehbar groD die Anzahl der Pro- 
teine in der gesamten Organismenwelt ist. Sie besitzen Artcharakter, d. h. es 
weisen solche z. B. des Blutplasmas verschiedener Tierarten Unterschiede auf. Wir 
kónnen diese zur Zeit weder mit chemischen noch physikalischen Methoden er- 
kennen, wohl aber durch den sogenannten biologischen Versuch. Wir sprit- 
zen z. B. PlasmaeiweiB von einem Hund einem Kaninchen ein, nachdem wir uns 
zuvor überzeugt haben, daß bei der Vermischung desselben mit dem Kaninchen- 
blutplasma keine Veränderung feststellbar ist. Wiederholen wir diesen letzteren 
Versuch einige Zeit nach erfolgter parenteraler Zufuhr des genannten Eiweißes, 
dann erkennen wir mit bloßem Auge, daß es zu einer Trübung und anschließend zu 
einer Flockung bzw. Fällung kommt. Man nennt diese Erscheinung Präzipitin- 
bildung. Es handelt sich um eine Fällung von Globulinen, und zwar von solchen 
des Plasmas des gespritzten Tieres und des zugesetzten Globulins (enthalten im 
verwendeten Plasmaeiweiß). Nimmt man an Stelle des Plasmaeiweißes vom Hund 
solches einer anderen Tierart, dann bleibt die Präzipitinbildung aus. Derartige 
Feststellungen sind nicht nur von der allergrößten Bedeutung für die Schaffung 
des Begriffes arteigener Verbindungen und insbesondere arteigener 
Proteine geworden, vielmehr führen sie mitten hinein in das so interessante und 
wichtige Gebiet der Immunität. Wir wissen, daß bei zahlreichen Immunitäts- 
reaktionen EiweiDstoffe beteiligt sind, und zwar bilden sich feinste Struktur- 
änderungen an ihnen aus, die maßgebend für bestimmte Reaktionsausfälle sind. 
Mit jenen, die wir zur Zeit in ihrer Feinheit gar nicht erfassen können, gehen 
Zustandsanderungen Hand in Hand. Es kann so z. B. die Stabilität von Globulinen, 
die an sich sehr empfindliche Proteine sind, wesentlich verändert werden. 
Wir besitzen nun zur Unterscheidung von Eiweißstoffen noch ein ganz beson- 
ders feines Reagenz. Es sind dies Fermentsysteme, genannt Proteinasen. Es 
hat sich herausgestellt, daß der Organismus EiweiDkórper, die dem Blute ,,fremd‘ 
sind — mógen sie nun unter Umgehung des Darmkanals eingeführt sein oder 
aber den eigenen Geweben entstammen —, durch Abbau ihrer besonderen 
Struktur beraubt. Die in Erscheinung tretenden Fermente sind Abwehrpro- 
teinasen genannt worden. Wir kommen auf sie noch zurück. Hier sei nur kurz 
gestreift, daß wir mit ihrer Hilfe nicht nur arteigene Strukturen 
erkennen können, vielmehr darüber hinaus auch zell- bzw.funktions- 
eigene. Am einfachsten betrachten wir die Durchführung eines entsprechenden
	        
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