zeigen, daß im erwachsenen Organismus keine Ruhe in Hinsicht auf Zellzerstörung
und -neubildung herrscht.
Wir stoßen nun sofort auf eine Eigentümlichkeit im Eiweiß- bzw. Aminosäure-
stoffwechsel. Sie ist dadurch bedingt, daß wir keine Depots für Eiweiß
größeren Ausmaßes besitzen. Die Leber kann eine beschränkte Menge
von Eiweiß speichern. Vielleicht haben alle Zellen neben dem „Bau-
eiweiB“, das zelleigen ist, UmsatzeiweiD. Seine Menge kann jedoch nicht
groß sein. Unter normalen Verhältnissen nehmen wir mehr Eiweiß in der Nahrung
auf, als wir verwenden bzw. ablagern können. Was geschieht mit dem Über-
schuß an Aminosäuren? Schon lange hat die Erfahrung gezeigt, daß die
Stickstoffausscheidung im Harn in Beziehung zur Menge des aufgenommenen
Eiweißes steht. Direkte Beobachtungen haben ergeben, daß sehr bald nach
Zufuhr von solchem ein Anstieg des Stickstoffgehaltes des Harnes feststellbar
ist. Als Ursache hat sich ergeben, daß Aminosäuren, für die keine unmittel-
bare Verwendung vorliegt, ihrer Aminogruppe beraubt werden.
Man spricht von einer Desaminierung. Wir werden uns noch mit diesem
Vorgang eingehend zu beschäftigen haben. Während das dabei gebildete
Ammoniak zu seiner Unschädlichmachung in Harnstoff über-
geführt und in dieser Form aus dem Körper entfernt wird, ver-
bleiben im Organismus jene Kohlenstoffketten, die nach Ent-
fernung der NH,-Gruppe übriggeblieben sind. Sie stellen ein sehr
wertvolles Material dar. Von ihnen aus gehen einerseits Beziehungen zu Kohlen-
hydraten und über diese hinweg zu Fetten, und anderseits liefern bestimmte
Aminosäuren Azetonkörper. Daraus erhellt, daß es nicht angàngig ist,
Eiweiß- bzw. Aminosäurestoffwechsel und Stickstoffstoffwechsel
ohne weiteres einander gleichzustellen, wie es so oft geschieht. Es bedeutet
die rasche Entfernung der Aminogruppe aus Eiweißbausteinen und die damit
verknüpfte Vermehrung der Ausfuhr stickstoffhaltiger Substanzen (im wesent-
lichen Harnstoff) keineswegs, daß der Aminosäurestoffwechsel zu Ende gekommen
ist! Es können lange Zeit. danach noch Kohlenstoff- und Wasserstoffanteile von
Aminosáuren z. B. in Form von Glykogen auf Verwendung harren.
Wir haben von einem unterschiedlichen Verhalten des Eiweifstoffwechsels
gegenüber dem der Fette und Kohlenhydrate gesprochen. Es beruht darin, daß
die beiden letzteren den Gesamtstoffwechsel bei ihrer Überführung vom Darm-
kanal in die Gewebe nur geringfügig beeinflussen. Es kommt zu ihrer Ablagerung,
falls Überschüsse vorhanden sind. Die Aminosäuren haben dagegen offenbar in-
folge ihrer mannigfachen Umwandlungen einen viel stärkeren Einfluß auf den Stoff-
wechsel als die stickstofffreien Nahrungsstoffe. Man bemerkt nach FiweiBauf-
nahme (viele Aminosäuren wirken bei unmittelbarer Zufuhr im gleichen Sinne)
ein Ansteigen des Gesamtstoffwechsels. Man hat von einer spezifisch-
dynamischen Wirkung der Proteine gesprochen. Ihre Ursache ist bis
heute nicht eindeutig aufgeklärt!. Man hat den Desaminierungsvorgang mit ihr
in Verbindung gebracht und ferner an die vielen Umbildungen gedacht, die der
NH,-Abspaltung folgen. Vielleicht fachen bestimmte Umwandlungsprodukte aus
bestimmten Aminosäuren den Zellstoffwechsel an. Möglicherweise geschieht dies
über Hormonorgane (Schilddrüse, Hypophyse ?).
1 Die Annahme, daß der N. sympathicus dabei beteiligt sei, ist. dadurch widerlegt worden,
daß Katzen, bei denen dieses Nervensystem exstirpiert war, ebenfalls spezifisch-dynamische
Wirkung zeigten.
Sc
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VC