Wir haben im Laufe unserer Vorlesungen vielfach der großen Bedeutung der
Mineralstoffe gedacht. Wir begegneten z. B. fortgesetzt der Phosphor-
sáure als Bestandteil verschiedenartiger Verbindungen: Phosphatide, Nuklein-
sáuren, Kreatinphosphorsáure, Kaseinogen, Glykogen usw. Ferner erfuhren wir,
daß ihr beim Abbau der Kohlenhydrate eine große Bedeutung zukommt. Damit
steht sehr wahrscheinlich der Befund in unmittelbarem Zusammenhang, daß
Insulin und Aneurin, die ja beide tiefgehenden Einfluß auf den Kohlenhydrat-
haushalt besitzen, denjenigen der Phosphorsäure beeinflussen. Es sinkt der Ge-
samtphosphatgehalt des Harnes, wenn die genannten Wirkstoffe zugeführt wer-
den, und zwar offenbar deshalb, weil ein Mehrbedarf an Phosphorsäure im Gefolge
des Kohlenhydratabbaus zustande kommt. Es sei ferner an die Rolle erinnert, die
sie bei der Resorption von Glukose und wahrscheinlich auch von Bausteinen
der Fette spielt. Schließlich begegneten wir ihr wieder bei der Erörterung des
Aufbaus von Kofermenten — Vitamin B,-pyrophosphorsäure und Vitamin-
B,-phosphorsáure. Eingehend besprochen haben wir ferner das Eisen und seine
Funktion. Wir lernten es in der Ferroform als Baustein des Háms kennen, und als
Fe" zZ—-Fe" spielt es eine wichtige Funktion in Oxydationsfermenten (Atmungs-
ferment, Zytochrome, Katalase usw.). Am meisten in die Augen fállt die Betei-
ligung von Mineralstoffen am Aufbau der Knochen. Sie bestehen im
wesentlichen aus Kalzium und Phosphorsáure. Daneben finden sich in geringer
Menge Kalziumkarbonat, etwas Magnesiumphosphat, Natrium und
Kalium. Die Form, in der das Kalziumphosphat im Knochengewebe vorhanden
ist, ist bis in die neueste Zeit hinein umstritten gewesen. Es wird ihm jetzt die
Struktur des Hydroxylapatites: Ca,((PO4,(OH), zugeschrieben. Im Dentin
und vor allem im Zahnschmelz ist noch Fluor vorhanden. Offenbar ersetzt es
im Hydroxylapatit einen Teil des Hydroxyls. Das Knochengewebe erfüllt nicht
nur mechanische Funktionen (Stützfunktion der Róhrenknochen usw. und
Schutzfunktion der Schádelknochen), vielmehr dient es der Schaffung eines
gewissen Vorratesan Kalzium und Phosphorsäure. Man hat bei Unterwertig-
keit der Zufuhr an diesen beiden ihre Abgabe von seiten von Knochen beobachtet.
Im Hungerzustand liefern zunächst jene Knochen Material, die weniger wich-
tig sind: z. B. Schädelknochen, Rippen, während jene, die z. B. Stützfunktionen
erfüllen, geschont werden. Es findet nicht nur in besonderen Fällen eine Abgabe
von Kalzium und Phosphorsäure statt, vielmehr vollziehen sich im Knochen-
gewebe fortlaufend Stoffwechselvorgänge, bei denen es zum Abbau und Neu-
aufbau von Knochensubstanz kommt. Die Knochen des Individuums sind nicht
so alt wie dieses selbst! Der Beweis eines fortlaufenden Umsatzes im Knochen-
und auch Zahngewebe konnte durch Zufuhr von radioaktivem Phosphor
in Gestalt von Phosphat eindeutig geführt werden. Es zeigte sich, daB diese Form
des Phosphors in beiden genannten Geweben aus dem Blute übernommen wurde.
Von großem Interesse ist sein langes Verweilen im Organismus. Innerhalb von
27 Tagen waren 45%, des zugeführten radioaktiven Phosphors durch die Nieren
ausgeschieden. 11,5% erschienen in den Fázes. Der Rest verteilte sich auf die
Gewebe. Die Feststellung, daß in den Organismus eingeführte Stoffe so lange in
ihm verweilen und an Stoffwechselvorgängen beteiligt sind, beweist, wie un-
berechtigt die vielfach geübte schematische Betrachtungsweise des Stoffwechsels
ist. Es ist ganz ausgeschlossen, Harnbestandteile nach ihrer Herkunft als exogene
und endogene zu unterscheiden.
Daß der Verkalkungsvorgang des osteoiden Gewebes nicht einfacher Natur ist,
erfuhren wir bei Besprechung der Wirkung der Vitamin-D-Gruppe. Es ist nicht
damit getan, daß Baustoffe zur Stelle sind, es müssen vielmehr jene Bedingungen