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pag. 189
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Präcession und Nutation.
sie die Gleichgewichtslage annimmt, so steht deren Dauer in Beziehung zur
Dauer des Erdtages und zur geographischen Breite des Ortes. Wie man sieht,
kann man das Gyroskop nicht bloss zum Nachweis der Axendrehung der Erde,
sondern geradezu für praktische Orientirungszwecke benützen, nämlich
zur Ermittelung der Meridianrichtung, der Richtung der Erdaxe, der Breite u. s. w.
Schliesslich ist auf die grosse Zahl von Apparaten hinzuweisen, welche theils wissen-
schaftlichen, theils praktischen Zwecken dienend, auf Grund der obigen oder
ähnlicher Betrachtungen construirt worden sind. Dahin gehóren zunüchst Combi-
nationen von gewôhnlichen Kreiseln. Eine der wichtigsten in obigem erhaltenen
Erscheinungen, námlich das Bestreben der Rotationsaxen parallel zu
werden (auch Parallelismus der Rotationsaxen genannt) làsst sich z. B. zeigen,
indem man einen kleineren Kreisel schräg auf einen grösseren setzt, dessen
Axe vertikal steht; der erstere richtet sich dann allmählich auf, falls er in gleichem
Sinne wie der andere Kreisel, dagegen neigt er sich mehr und mehr und fällt
schliesslich herunter, wenn er im entgegengesetzten Sinne kreiselt. Von neueren
Apparaten sind namentlich die von SriRE!) (Polytrop, gyroskopisches Pendel,
Barogyroskop) und von GmRuEvD, sowie die wesentlich praktischen Zwecken ge-
widmeten von Crova?) (Magnetisches Gyroskop), Dusors*) (Marine-Gyroskop),
Sir W. 'THoMsoN?) (Gyroststische Waage u. A.) bemerkenswerth.
Prácession und Nutation der Erde. Eine Kreiselbewegung setzt
sich im Allgemeinen, wie gezeigt worden ist, aus drei verschiedenen
Vorgängen, nämlich aus Rotation, Prücession und Nutation zusammen.
In grossartigem Maassstabe wird
eine solche Kreiselbewegung von
der Erde ausgeführt. Ihre Dre-
hung .um die Sonne ist dabei
ausser Acht zu lassen Wenn
die Erde eine vollkommene Kugel
würe, so würde ihre Axe stets die-
selbe Richtung im Raume ein-
nehmen, d. h. stets nach demselben
Fixstern zeigen. Wáre andererseits
die Erde, wie sie es ist, am Aequa-
tor ausgebaucht und drehte sie sich
nicht um ihre Axe, so würde die
Sonne den in Folge der Neigung der
Ekliptik, also der Erdaxe, schief
gegen sie stehenden Aequator der
Erde in die Ebene der Erdbahn (Ph. 68.)
hineinziehen, also die Erdaxe senkrecht gegen diese stellen. Da aber die Erde
um ihre Axe rotirt, so tritt keiner von beiden Fällen ein, sondern die Erdaxe
5eschreibt im Laufe der Zeit um die Vertikale auf der Erdbahn einen Kegel.
Dies ist die Prácession der Erdaxe. Ein vollstindiges Umlauten der Kegel-
flàche dauert etwa 26000 Jahre, d. h. erst auf mehr als 9 Millionen Kreiselum-
làufe kommt ein Prücessionsumlauf. In derselben Periode variürt natürlich auch
1) S. oben.
2) Crova, J. de phys. (2) 1, pag. 271 (1882).
3) DuBors, Compt. rend. 98, pag. 227 (1884).
4) THOMSON, Nature 30, pag. 524 (1884).
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