Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

Wirkungen. bewegter Flüssigkeit. 
Wirkungen bewegter Flüssigkeit. Man kann dieselben in vier Klassen 
theilen. Die erste Wirkung besteht in dem Widerstande, den die Flüssigkeiten 
der Bewegung fester Körper, die sich in oder mit ihnen bewegen, entgegensetzen, 
und welcher theils Trägheitswiderstand (s. Art. Bewegung fester Körper in Flüssig- 
keiten) theils Reibungswiderstand (s. Art. Reibung) ist. Die drei anderen Wirkungen 
sind mehr activer Natur und beruhen: 1? auf dem Druck (potentielle Energie) 
2) auf dem Stoss (actuelle Energie) und 3) auf der Reactionswirkung, und letztere 
kann wieder Druck- oder Stosswirkung sein. Die Druckwirkung hángt von 
dem Gewichte der drückenden Flüssigkeitssáule ab und ist mit diesem proportional. 
Die Stosswirkung hüngt ausserdem von der Geschwindigkeit der stossenden 
Flüssigkeitsmassen ab; sie ist, wenn gleiche Massen betrachtet werden, der Ge- 
schwindigkeit, in gleichen Zeiten dagegen, wie hieraus folgt, dem Quadrate der- 
selben proportional; gewóhnlich hat diese Flüssigkeit ihre Geschwindigkeit durch 
Fall von einer gewissen Hóhe erlangt, und aus den Fallgesetzen folgt somit für 
gleiche Zeiten die Proportionalität der Wirkung mit der Fallhóhe. Ist der Stoss 
schief, so hat man Normalstoss, Parallelstoss und Seitenstoss zu unterscheiden und 
diese, wie eine einfache, unter gewissen Voraussetzungen durchgeführte Betrachtung 
zeigt, resp. dem Sinus, dem Quadrat des Sinus des 
Einfallswinkels und dem Sinus des doppelten Einífalls- 
winkels proportional zu setzen. Die Reactionswirkung 
endlich tritt ein, wenn, statt dass die Flüssigkeit 
plótzlich einen Stoss oder Druck ausübt, umgekehrt 
der ursprünglich symmetrisch vertheilte und darum 
wirkungslose Druck oder Stoss plótzlich an einer 
oder einigen Stellen aufhórt und damit die Sym- 
metrie gestórt wird. Die einfachste Demonstration 
des Vorganges bietet das sogen. SEGNER'sche 
Reactionsrad (Fig. 158) dar.. Giesst man in das 
Gefäss G Wasser und lässt es aus Oeffnungen, die an 
den Enden der horizontalen Rôhre Æ Æ seitlich an- 
gebracht sind, ausfliessen, so rotirt der Apparat im 
Sinne des Pfeiles. Eine scharfe Grenze zwischen Stossapparaten und Reactions- 
apparaten lässt sich, wie man einsieht, gar nicht ziehen, da man auch bei ersteren 
das Wasser abfliessen lassen muss und zwar naturgemäss nach einer der beab- 
sichtigten Stosswirkung mehr oder weniger entgegengesetzten Seite. 
Auf den skizzirten Wirkungen beruhen einige in der Technik vielfach an- 
gewandte Apparate, nämlich: 
1) Die oberschlächtigen Wasserräder, in deren Schaufeln das Wasser 
nahe dem Scheitel eintritt, also durch Druck und Stoss zugleich, hauptsächlich 
aber durch ersteren wirkt. 
2) Die unterschlächtigen Wasserräder, bei denen das Wasser nahe 
der Sohle eintritt und somit lediglich durch seine Geschwindigkeit wirkt. Es 
giebt auch Räder, die, wie die mittelschlächtigen und die rückenschlächtigen, 
eine Mittelstellung einnehmen. 
3) Die Turbinen, deren Drehaxe nicht, wie dei den Wasserrädern, hori- 
zontal, sondern vertikal steht, bei denen also lediglich die Geschwindigkeit des 
eintretenden Wassers wirkt; je nach der Construction wirkt sie mehr direkt oder 
mehr durch Reaction. 
Der Wirkungsgrad dieser Maschinen, der praktisch zwischen 30 und 90% der 
aufgewandten Energie schwankt, hängt von den verschiedensten; Umständen ab; 
  
  
  
  
  
(Ph. 158.) 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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