Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

   
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Bd. 101, 
  
Geschichtliches. 453 
theoretischen Behandlung durch CramauT!) CLAIRAUT denkt sich einen Faden 
aus der Flüssigkeit herausgeschnitten, der folgende Gestalt haben soll: Er geht 
vom Meniskus aus, läuft vertical in der Axe des Rohres, biegt in endlicher Ent- 
fernung unterhalb des Rohres um, läuft horizontal ein Stück weiter und geht 
dann wieder vertical nach oben bis in das äussere ebene Niveau. CLAIRAUT 
stellt die Kräfte auf, welche auf diesen Faden wirken und leitet damit die Gleich- 
gewichtsbedingung ab. Er nimmt an, dass die Molecularkräfte nur merklich sind 
auf einen »sehr kleinen Abstand«. Doch spielen die Anziehungskräfte der 
Wand auf diesen axialen Faden eine hervorragende Rolle in seiner Betrachtung; 
er meint, man müsse diese Kräfte so wählen, dass dem JURIN'schen Beobachtungs- 
resultat genügt werde, was durch eine unendliche Zahl von Anziehungsgesetzen 
geleistet werde. — Die Entstehung des Randwinkels erklärt er in der noch 
jetzt in den Lehrbüchern üblichen Weise. 
An die CLAIRAUT’sche Behandlung schliesst LAPLACE?) an (1805). Er fand 
es aber mit HAUKSBEE nöthig, anzunehmen, dass die Kräfte nur merklich sind 
in unmerklicher Entfernung und stützt sich namentlich auf HaukssÉE's Beob- 
achtungsresultat, wonach die Steighóhe des Wassers in Róhren unabhángig ist 
von der Wanddicke. Für die Grundanschauung liegt der Hauptfortschritt von 
LAPLACE in dem Resultat, dass die Niveauänderung oder, allgemeiner gesagt, der 
capillare Druck nur abhängig ist von der Krümmung der Oberfläche an der be- 
treffenden Stelle, ganz gleichgültig, durch welche Ursachen diese Krümmung her- 
gt 
ab, wo Æ und Æ Constanten sind, die lediglich von der Natur der Flüssigkeit 
abhängen, AU und Æ' die Hauptkrimmungsradien der Oberfläche an derjenigen 
Stelle, die den Druck p ausiibt. Von X denkt sich LAPLACR abhängig das Hatten 
von Quecksilber in einer Barometerröhre bis zu Säulen, die 3—4 mal länger sind 
als diejenigen, welche der Luftdruck tragen kann, das Brechungsvermögen, die 
Cohäsion und die chemische Affinität. 
Die Bestimmung der Gestalt der freien Oberfläche einer Flüssigkeit ist nun 
auf die Lósung einer Differentialgleichung zurückgeführt. Ihre allgemeine Inte- 
gration ist unmóglich, doch führt LAPLACE sie für viele specielle Fille durch, bis- 
weilen unter Zuhülfenahme vereinfachender, wenn auch nicht immer streng be- 
Wiesener Annahmen (s. Literaturverzeichniss). Er erklärt ferner die scheinbare 
Anziehung und Abstossung schwimmender Körper und behandelt in etwas 
strengerer und allgemeinerer Weise als CLAIRAUT das Problem des Randwinkels. 
In seinem Supplement leitet LAPLACE die Fundamentalgleichung der Capilla- 
rität aus der Bedingung der Perpendicularität der resultirenden Kraft auf der 
Oberfläche ab; die Differentialgleichung wird dann dritter Ordnung und ist das 
Differential der früher gegebenen. (Weiteres siehe Literaturübersicht). 
LAPLACE hatte die Flüssigkeit stets als homogen betrachtet. Poisson in 
seiner Nouvelle Theorie etc. verlässt diese Annahme; in der Nähe der Ober- 
fläche muss nach ihm die Dichte wechseln und ohne diese Aenderung wären 
gar keine Capillarerscheinungen möglich. Er kommt zu den gleichen Aus- 
drücken für den Druck wie LAPLACE; nur sind seine Constanten durch etwas 
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vorgebracht ist. Er leitet tür diesen Druck p den Ausdruck 5 — K + — ( ) 
!) CLAIRAUT, Théorie de la figure de la Terre, tirée des Principes de l'Hydrostatique. 
8. Paris 1743. Cap. X, pag. 105—128. 
?) LAPLACE, Méc. céleste Suppl. zum X. Buch, pag. 1—65, und à la théorie de l’action 
capillaire Méc. cél. T. IV. Anhang pag. 1—78, Paris 1805, und Oeuvres, T. IV., pag. 389 bis 
552 (beide Abhandlungen). Paris 1845. 
  
  
  
  
  
    
    
   
    
   
   
   
   
   
   
  
  
   
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
     
   
   
   
  
    
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
   
    
   
    
   
  
  
	        
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