Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

474 Capillarität. 
20 Die Bewegung von kleinen Kórperchen, z. B. Trópfchen von 
Stearin (welche man auf eine Wasserfläche tropfen liess), wenn man auf der einen 
Seite derselben etwas Seifenwasser auf die Wasserfläche bringt, erklären sich 
ebenso. Desgleichen die Rotation von Campfer etc. auf Wasser. 
Ein Wassertropfen in einer horizontalen Röhre bewegt sich, wenn man auf 
seinen einen Meniskus etwas Oel bringt, nach dem reinen Meniskus hin. Ein 
Quecksilbertropfen nach der entgegengesetzten Seite — wie es die Zahlen in 
$ 14 fordern. 
Legt man einen flachen Quecksilbertropfen in eine horizontale Röhre, füllt 
dieselbe mit verdünnter Schwefelsäure und leitet einen galvanischen Strom hin- 
durch, so bewegt sich der Tropfen in der Richtung des Stromes. Die Capillar- 
constante wird an derjenigen Stelle, wo sich Wasserstoff aus Queksilber abscheidet, 
grösser. — Ein Wassertropfen, auf Quecksilber gelegt, zeigt bei Durchleiten eines 
Stromes vom Wasser zum Quecksilber resp. umgekehrt, Gestaltsänderungen, welche 
stets in dem Sinne gehen, als sei durch Wasserstoffabscheidung die Cappillaritäts- 
constante vergrössert, durch Sauerstoffabscheidung verkleinert worden. — Unter- 
schwefligsaures Natron, überhaupt reducirende Substanzen, dem Wasser zugesetzt, 
wirken wie Wasserstoffentwickelung auf galvanischem Wege; umgekehrt oxydirende 
Mittel, z. B. Chromsáure?). 
21) Ein Trópfchen eines geschmolzenen Salzes, welches an einem Platin- 
draht haftet und denselben benetzt, bewegt sich bei ungleichmässigem Er- 
hitzen von der wármeren Stelle weg. Diese Erscheinung, die man früher wohl 
einer abstossenden Kraft der Wárme zuschob, folgt daraus, dass die Capillar- 
constante mit steigender Temperatur abnimmt. 
29) Entstehung von Emulsionen. Gap?) hat beobachtet, dass Oel, 
welches etwas freie Fettsäure enthält, in eine Lósung von Soda oder Aetznatron 
gebracht, freiwillig sich in immer kleinere Trópfchen spaltet, welche sich sehr fein 
in der Flüssigkeit vertheilen und in ihr lange suspendirt bleiben. Man kann also 
auf diesem Wege, ohne zu schütteln, eine Emulsion herstellen. Quincke?) hat 
die Erscheinungen verfolgt und auf Capillaritátswirkungen zurückgeführt. Hüngt 
man eine durchbohrte Glasplatte auf Wasser, führt durch das Loch einen Oel- 
tropfen ein und lässt schliesslich in diesem etwas Sodalósung oder 0:5 9ige Natron- 
lósung untersinken, so bildet sich aus dem kleinen Tropfen Natronlauge (welcher 
an der untern Kuppe des Oeltropfens liegen bleibt) eine feste Haut von Seife. 
Kommt diese allmáhlich mit dem Wasser in Berührung, so lóst sie sich und die 
Seifenlósung breitet sich auf dem Oele aus; denn es ist 
Olivenôl/H,0 = 2:30 
Olivenôl / Seifenwasser / Wasser = Olivenôl / Seifenwasser 
+ Seifenwasser / Wasser = 0:36 + 0, 
also letztere Zahl um 849 kleiner als erstere. Bei der Ausbreitung flacht sich 
der Oeltropfen ab. Gleichzeitig findet Flüssigkeitsstrómung nach dem Ausbreitungs- 
centrum hin statt. Dort wird die Gruppe für kurze Zeit concav und einzelne 
Oeltrópfchen splittern ab. — Aehnlich erfolgt die freiwillige Emulsionsbildung ^. 
1) PAALZOW, POGG. Ann. 104, pag. 420. 1858. Vergl, übrigens darüber das Capitel Electricitát. 
  
  
2) GAD, DU Bors-REYMOND's Archiv für Anatomie und Physiologie. 1878. 
3) QuINcKE, PFLÜGER's Archiv. 1879, Bd. 19; Beibl. 1880, pag. 110. 
4) Betreffs einer anderen Erkldrungsweise, welche das chemische Vereinigungsbestreben von 
Oelsiure und Alkali zu Hilfe nimmt, vergl BRÜcKE, Sitzber. Wien. Akad. 79. 1879. April. — 
Beibl. 1880, pag. 109. 
   
      
    
     
   
  
  
     
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
   
    
      
   
   
  
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