686 Allgemeine Wellenlehre.
von Einzelbewegungen geredet werden kann, welch letztere in ihrer Gesammtheit
erst das bilden, was man eine Wellenbewegung nennt. Da hierbei, wie wir bald
sehen werden, auch die Zeit in Betracht kommt, da eine Wellenbewegung erst
dann beginnt, nachdem vorher Einzelbewegungen vorausgingen, so kann man
diese letzeren auch wohl passend »Primitivbewegungen« nennen. Wir wollen
ihre Bedeutung sofort kennen lernen am besten so, dass wir uns an ein bestimmtes
Beispiel halten, unbekümmert darum, ob der Falj den wir bei diesem Beispiel
charakterisiren, in der Natur wirklich vorkommt oder nicht.
Fig. 211 zeigt einen bei 4 befestigten Tuchstreifen, welcher von 4 nach B hin
über eine horizontale Tischplatte gelegt ist. Zwischen ihn und die Tischplatte
A R = € a
LL TT p V Redes
(Ph. 211.)
sei eine elliptisch geformte Walze & gebracht. Diese wird den Tuchstreifen, wie
in der Figur deutlich gemacht ist, bis zu gewissen Grenzen hin aus der horizontalen
Lage herausbringen und hierbei eine Erhóhung hervorrufen. Schieben wir dann
parallel mit sich selbst die Walze von links nach rechts fort, so leuchtet ein,
wie sich die Erhóhung, die wir soeben hervorriefen, nach und nach an allen
Stellen des Streifens zeigt. Eine Welle láuft also von links nach rechts hin weiter
und wäre dies ja offenbar ein Analogon zu einer Wasserwelle, die progressiv
über die Oberfläche eines Wasserspiegels fortschreitet. Aber was ist denn nun
die Erhôhung bei unserem Tuchstreifen? Sie kommt offenbar doch nur dadurch
zu Stande, dass die einzelnen Theilchen des Streifens bei der Verschiebung
der Walze eine auf- und niedergehende Bewegung erhalten. Fassen wir z. B.
ein solches Theilchen @ ins Auge, so wird dies in einem bestimmten Moment
anfangen gehoben zu werden; es wird in einem späteren Moment seine höchste
Lage erreichen, um von dieser aus wieder in die Ruhelage herab zu sinken. So
hätten wir denn die Primitivbewegung erkannt. Sie besteht in diesem Falle
in einem Auf und Niedersteigen der einzelnen Tuchtheilchen, welches an und
für sich eine nahezu geradlinige Bewegung ist. Eine Summe solcher Theilchen,
welche neben einander liegen und sich im selben Moment in je einer anderen
Phase der Bewegung befinden, bilden erst das, was man eine Welle nennt, deren
Form also das Resultat ist, welches sich aus den Einzelbewegungen der Theil-
chen ergiebt. Die Primitivbewegungen sind bei diesem Beispiel gradlinige Bewe-
gungen eines jeden Theilchens senkrecht zur Ruhelage, die Resultante ist eine,
über eine gewisse Strecke sich zeigende Erhóhung, welche letztere mit der Zeit
fortschreitet, während die ersteren offenbar nicht als eigentlich fortschreitende
Bewegungen zu denken sind, denn ein jedes Theilchen vollführt nur über seiner
Ruhelage seine Primitivbewegung, ohne dass es selbst eine Wanderung von A
nach AB anträte.
3) Ein jedes Theilchen unseres 'luchstreifens kommt bei der Progressiv-
verschiebung der Walze in dieselbe Primitivbewegung, wie sie je ein rückwárts
liegendes Theilchen vollendet hat. Sofort erkennen wir aber eine sehr be-
merkenswerthe 'Thatsache. Wir kónnen námlich die Strecke 4c, über welche
sich die Welle in einem bestimmten Moment erhebt, einmal die »Lünge« der
Welle oder kurz die »Wellenlüánge« nennen. Schreitet diese Welle nun um
ihre eigene Länge von links nach rechts weiter, so hat das Theilchen c auch
offenbar eine Primitivbewegung vollkommen ausgeführt, denn es beginnt seine
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