226 Die Hauptgattungen der optischen Instrumente.
die Verminderung der Aberrationen ausser der Axe noch günstigere Bedingungen
und ermöglicht ausserdem, wenn auch nicht die Aufhebung — das würde dem
System gänzlich den freien Objektabstand rauben — so doch eine Verminderung
der chromatischen Differenz der Vergrösserung; dafür ist diese Lupe gegen die
FRAUNHOFER’sche im Nachtheil in Bezug auf den Objektabstand. Man wählt die
Brennweiten der Einzellinsen bei ihr ungefähr gleich, ihren Abstand zu $ jener
Brennweiten. Das Sehfeld wird bei der WiLsoN'schen Lupe entweder durch ein
zwischen den Linsen befindliches Diaphragma oder ebenso wie bei einer ein
fachen Linse durch die Grösse (den Rand) einer der beiden Linsen bestimmt.
Von geringerem Werthe als die eben genannten sind die aus einem
dickeren Glasstück bestehenden und daher ebenfalls mehr nach dem
Typus zweier Einzelsysteme als nach dem einer dünnen
Linse zu betrachtenden Lupen von der Art, wie sie
BREWSTER (Fig. 365) und STANHOPE (Fig. 366) vorgeschlagen
haben. Bei ersterer bilden die beiden Begrenzungsflächen
Theile einer und derselben Kugel; die Apertur der seitlichen
Büschel ist durch einen meridionalen Einschliff so weit
reducirt, dass die Bilder erträglich werden. Bei der STANHOPE’schen Linse sind
die beiden Krümmungen erheblich verschieden, oft in der Weise, dass die vordere
(untere) Brennebene dem Orte und der Krümmung nach mit der vorderen Linsen-
fläche zusammenfällt, um. die in dieser angebrachten Gegenstände (z. B. kleine
Photogramme) durch die stärker gewölbte Fläche hindurch betrachten zu können.
Auch bei der BREWSTER’schen Lupe ist der Abstand des Objektes von der ersten
Linsenfläche, der sogen. freie Objektabstand, natürlich sehr gering.
3) Unter den aus Gläsern mit verschiedenem Zerstreuungsverhält-
niss zusammengesetzten Lupen haben sich namentlich die von STEINHEIL
construirten, sogen. aplanatischen, bewährt. Dieselben
bestehen aus einer zwischen zwei gleichen Flintglasmenisken
eingeschlossenen biconvexen Crownlinse. Eine weitere Ver-
besserung im Rahmen derselben Construction wurde — es
ist mir nicht bekannt, durch wen zuerst — dadurch einge-
führt, dass der mittleren Crownlinse eine grössere Dicke ge-
geben wurde, so dass gewissermaassen eine achromatisirte
BREWSTER’sche Lupe entstand (Fig. 367; / = 40 mm, nat. Gr.).
(Ph. 367.)
4) Das Gegenstück in gewissem Sinne zu der WirsoN'schen Lupe bildet die
zuerst von CHEVALIER!) vorgeschlagene, spáter von E. BRÜCKE?)
wieder aufgenommene Construction, nach welcher man eine
collective Vorderlinse mit einer dispansiven Hinterlinse ver-
bindet (Fig. 368). Denn wáhrend bei der WirsoNschen Lupe die
Ausdehnung und Qualität des Bildes auf Kosten des freien
Objektabstandes erhóht wird, findet bei der BRÜcKE'schen umge-
kehrt eine Einbusse in diesen beiden Beziehungen zu Gunsten
des freien Objektabstandes statt. Doch stellt diese, jetzt gewóhn-
lich nach BRÜCKE bezeichnete, Lupe schon mehr ein zusammen-
gesetztes Mikroskop in dem weiter unten aufgefassten Sinne vor;
(Ph. 368.) ihre Wirkungsweise findet daher besser bei der Besprechung
dieses nähere Erklärung.
1) CHEVALIER, Des Microscopes. D. Uebers. Quedlinburg 1843, pag. 38.
7) Sitzber. Wien. Akad. 6. pag. 554. 1851.