Gleichung für eine einfache Schwingung. 513
Um die Interferenzerscheinungen erklären zu können, müssen wir zunächst
die Gleichungen aufstellen, welche die Bewegung der Aethertheilchen in einem
Lichtstrahl analytisch ausdrücken. Die Undulationstheorie nimmt an, dass die
Bewegungen in dem Lichtäther nach einer Störung des Gleichgewichtszustandes
in derselben Weise erfolgen, wie in einem elastischen festen Körper 1), und leitet
daraus ab, dass jedes Aethertheilchen periodische Bewegungen ausführt, die als
zusammengesetzt aus einer mehr oder weniger grossen Zahl einfacher Schwin-
gungen angesehen werden können. Unter »einfacher Schwingung« wird dabei
ein Bewegungszustand verstanden, für welchen die Entfernung (E) des Aether-
theilchens von seiner Ruhelage immer in derselben Geraden liegt und pro-
portional dem Cosinus oder Sinus einer linearen Function der Zeit ist, also
etwa
€ = À cos (at + b). (1)
Die physikalische Bedeutung der in dieser Gleichung enthaltenen Con-
stanten ist leicht anzugeben. Da der Werth des Cosinus zwischen — 1
und + 1 schwankt, so ist der grösste Ausschlag unseres Theilchens nach
der einen oder anderen Seite gleich 4, und dieses heisst die Amplitude der
Schwingung. Da ferner die Werthe des Cosinus immer wieder dieselben werden,
wenn sich das Argument desselben durch das Wachsen von £ um 2r geändert
hat, so können wir die ganze Bewegung in aufeinanderfolgende, genau gleiche
Theile zerlegen. Einen solchen Theil nennen wir eine Schwingung des Aether-
theilchens; die Dauer 7'derselben bestimmt sich daraus, dass das Argument
des Cosinus um 2x wachsen muss, wenn 7 um 7° wächst, also muss sein
2x 2
Z pm oder. ¢ = T .
Um die Bedeutung von 2 zu zeigen, müssen wir die Verbreitung der
Lichtbewegung im Raum betrachten. Den Ausgangspunkt derselben bilden
immer schwingende Korpertheilchen, sie setzen die sie unmittelbar um-
gebenden Aethertheilchen in Schwingung und von diesen verbreitet sich die
Bewegung nach allen Seiten in dem Aether des betreffenden Mittels, indem
die folgenden Theilchen immer von den vorhergehenden zu genau ähnlichen
und im allgemeinen gleichgerichteten Schwingungen angeregt werden. Ist das
Mittel homogen, so geschieht die Fortpflanzung geradlinig; und die gesammte
in der von dem leuchtenden Punkt nach einer beliebigen Stelle gezogenen Ge-
raden fortschreitende Bewegung bildet den dahin gehenden Lichtstrahl. Ist das
Mittel auch nach allen Seiten hin gleichbeschaffen, isotrop, so ist die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit der Strahlen nach allen Richtungen dieselbe; ver-
schieden jedoch im Allgemeinen nach verschiedenen Richtungen, wenn das
Mittel anisotrop ist, wie bei Krystallen. Aber auch im letzteren Fall.ist in einer
bestimmten Richtung die Fortpflanzungsgeschwindigkeit immer dieselbe, so lange
das Mittel homogen bleibt. Nennen wir in einer beliebig gewählten Richtung
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit / und betrachten einen in ihr um x von dem
Ursprung der Bewegung entfernten Punkt, so wird derselbe eine ähnliche
1) Damit ist indessen keineswegs gesagt, dass der Aether sich auch im Uebrigen wie ein
fester Kórper verhalte. Man kann sehr wohl annehmen, dass seine Theilchen eine üusserst
leichte Beweglichkeit gegen einander besitzen nach Art der Flüssigkeiten, ja dass sie sich fort-
während so bewegen. Das Wesentliche ist nur, dass in der Wirkungssphüre eines Theilchens
sehr viele andere sich befinden und dass während der äusserst kurzen Zeit des Durchgangs
einer Lichtbewegung durch die Wirkungssphäre sich die Gleichgewichtslagen der darin ent-
haltenen Theilchen nicht merklich ändern,
WINKELMANN, Physik. Il,
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