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638 Die Natur des Lichtes.
(10) nicht in der Summe einerlei Vorzeichen haben darf, und da mit dem Vor-
zeichen dieser Grösse der Durchlaufungssinn wechselt (pag. 634).
Jedenfalls ist es nicht möglich, durch ein Experiment näheren Aufschluss
über die Natur der Aetherschwingungen im unpolarisirten Licht zu erhalten,
wie STEFAN!) versucht hat, da, wie SrokEs?) gezeigt hat, zwei aus Einzelstrahlen
zusammengesetzte Vibrationssysteme, welche in den vier Grossen: X A?, Z B°,
X4B co (p —4, XABsin(p— 0) übereinstimmen, völlig gleiche optische
Wirkung haben — nach Srokrs Benennung äquivalente Systeme sind. Bei der
dargelegten Auffassung des natürlichen Lichtes ist das dritte der FRESNEL-ARAGO-
schen Gesetze (cf. pag. 633) leicht erklärt. Während nämlich ein Einzelstrahl
des natürlichen Lichtstrahls wohl ein gewisses Interferenzstreifensystem hervor-
bringen würde, so bringt ein anderer Einzelstrahl, dessen Polarisationsebene
nicht in demselben von den senkrecht aufeinander stehenden Polarisationsebenen
der beiden Polarisatoren gebildeten Quadranfen liegt, nach dem letzten der
FaESNEL-ARAGO'schen Gesetze ein Fransensystem hervor, dessen Minima auf die
Maxima des ersten fallen. Daher interferiren zwei senkrecht zu einander polari-
sirte Strahlen natürlichen Lichtes nicht, auch wenn sie auf dieselbe Polarisations-
ebene gebracht werden.
Die Auffassung des natürlichen Lichtes als eine Succession verschiedener
Schwingungen besitzt, wie AiRv?) zuerst bemerkt hat, noch die Schwierigkeit,
dass die Veründerungen der Lage und Gestalt der Vibrationsellipse des natür-
lichen Lichtes, wenn dieses in der Farbe absolut homogen sein soll, nicht als
continuirlich gedacht werden können. Denn bei continuirlicher Aenderung der
Bahn kann die resultirende Bewegung als aus zwei Bewegungen verschiedener
Schwingungsdauer zusammengesetzt angesehen werden. So ist bei einer gleich-
mássigen Drehung der Polarisationsebene linear polarisirten Lichtes, wie beim
Dove'schen Experiment, der Lichtstrahl als aus zwei entgegengesetzt rotirenden,
circular polarisirten Strahlen der Schwingungszahlen N + 7 und JV — 7 zu-
sammengesetzt anzusehen, wo /V die Schwingungszahl des einfallenden Lichtes
bedeutet, z die Zahl der Umdrehungen der Polarisationsebene in der Sekunde.
Dass diese Auffassung richtig ist, hat RrGHi*) durch ein Experiment gezeigt,
in welchem durch geeignete Anordnungen die beiden circular polarisirten Strahlen
verschiedener Schwingungszahl in geradlinige, gleichgerichtet polarisirte Strahlen
verwandelt werden, welche zur Interferenz gelangen. In diesem Falle hángt die
resultirende Amplitude von der Zeit ab, und in der That beobachtete Ricnr eine
Bewegung der Interferenzstreifen, indem durch einen festen Punkt des auffangen-
den Schirmes zwei z Interferenzfranzen in der Sekunde hindurchwanderten, ent
sprechend der Differenz zwei n der Schwingungszahlen der interferirenden Strahlen.
Diese Erscheinung ist ganz dem der Schwebungen zweier fast gleich hoher Töne
analog.
Diese Schwierigkeit, welche LiPPICH?) zu complicirten Annahmen über die
Aetherschwingungen im natürlichen homogenen Lichte veranlasst hat, füllt aber
nicht sehr ins Gewicht, wenn man annimmt, dass die Aenderungen der Bahn
der Aethertheilchen nur sehr langsam im Verhültniss zu ihrer Schwingungs-
1) STEFAN, Wien. Ber. 50, pag. 380. 1864; PoGG. Ann. 124, pag. 623. 1864.
2) Stokks, Phil. Mag. (4) 3, pag. 316. 1852.
3) Ary, Cambr. Trans. 4, pag. 79 198. 1831.
4) RicHr, Journ. de Phys. (2) 2, pag. 43%. 1883.
5) LırrIcH, Wien. Ber. (2) 48, pag. 146. 1863.