Accidentelle Doppelbrechung.
selbe untersuchte in einer Reihe von Arbeiten!) zunächst weiche organische
Substanzen, wie Leim, Wachs, Harz, sodann Glas, Flussspath, Steinsalz, und
fand, dass sich diese Körper, wenn sie einseitigem Drucke ausgesetzt wurden,
wie negative, dagegen bei Einwirkung einseitigen Zuges wie positive, optisch
einaxige Krystalle verhalten, deren optische Axe mit der Druck- resp. Zug-
richtung zusammenfillt?). Der Gangunterschied der beiden in den betreffen-
den Körpern sich fortpflanzenden Wellen zeigte sich als dem ausgeiibten Drucke
annähernd proportional. Ebenfalls erwies sich ein gebogener Glasstreifen als
doppelbrechend.
BREWSTER wies die Doppelbrechung durch die Beobachtung der Interferenz-
farben im polarisirten Lichte nach.
In direkterer Weise wies FRESNEL?) die Doppelbrechung in gepressten
Gläsern nach, indem er die Richtungsunterschiede der beiden in ein em einseiti
gedrückten Glasprisma senkrecht zur Druckrichtung sich fortpflanzenden Wellen
direkt messen konnte. Er liess einen Lichtstrahl auf einen Satz von vier derartigen
Prismen fallen, die hintereinander in paralleler Lage aufgestellt waren und zwischen
welchen sich zur Aufhebung starker Ablenkungen des Lichtstrahls undeformirte
Prismen derselben Glassorte mit gleichen brechenden Winkeln, wie die defor-
mirten Prismen, doch in zu letzteren inverser Lage, befanden. Er erhielt dann
eine sehr deutliche Spaltung des einfallenden Strahles in zwei, deren Richtungs-
unterschiede einige Minuten betrugen.
Eine allgemeine Theorie der Erscheinungen der accidentellen Doppelbrechung,
wie sie durch Einwirkungen elastischer oder thermischer Kráfte in isotropen
Kórpern hervorgerufen wird, gab F. NEUMANN*). Er fand seine Theorie durch
zahlreiche Versuche an deformirten oder ungleichfórmig erwármten Gläsern be-
státigt. Den Ausgangspunkt der Theorie bilden folgende Annahmen: 1) In einem
gleichfórmig deformirten amorphen Kórper befolgt die Doppelbrechung dieselben
Gesetze, welche für homogene, optisch zweiaxige Krystalle gelten; dabei fallen
die optischen Symmetrieaxen mit den Hauptdilatationsaxen zusammen. 2) Ein
ungleichfórmig deformirter amorpher Kórper ist einem Aggregat von unendlich
vielen sehr kleinen Krystallindividuen zu vergleichen, wobei die Richtungen der
optischen Symmetrieaxen und die Werthe der Hauptlichtgeschwindigkeiten stetige
Functionen des Ortes sind.
Nach NEUMANN sind die Hauptlichtgeschwindigkeiten in einem deformirten
amorphen Kórper gegeben durch die Formeln:
4 GE. By, + Pins
B=G+ px. + gy, + ps,
C — G - px: + pyy + 9%,
wobei G die Lichtgeschwindigkeit vor der Deformation, x., y,, 2, die Haupt-
dilatationen und p, ¢ zwei der Substanz eigenthiimliche Constanten bedeuten.
) D. BREWSTER, Phil. Trans. 1815, pag. 60; 1816, pag. 156. — Trans. of the Roy. Soc.
of Edinb. 8, pag. 369. 1818. — PocG. Ann. I9, pag. 527. 1830.
?) Dies Verhalten ist bisher an fast allen amorphen Kórpern constatirt mit sehr wenig
Ausnahmen. Zu letzteren gehórt nach E. MacH (Opt.-akust. Versuche, Prag 1873, pag. 32),
stark eingedickte Metaphosphorsüure, ferner nach v. EBNER (Wien. Ber. 97, pag. 39. 1888),
Kirschgummi und Traganthgummi. — Vergl AMBRONN, WIED. Ann. 38, pag. 159. 1889.
3) A. FRESNEL, Ann. de chim. et de phys. (2) 20, pag. 376. 1822.
4) F. NEUMANN, Abhandl. der Berl Akad, 1841, Theil IL, pag. 1. — PoGG. Ann. 54,
pag. 449. 1841.
WinkKELMANN, Physik. IT. 47
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