Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 2 Band, 2. Abtheilung)

14 Thermometrie. 
Wenn /, und /, 9, die den Temperaturen 0 und 100 entsprechenden Lesungen 
am Messrohre bezeichnen und o, das bei 0? zwischen je 2 aufeinander 
folgenden Theilstrichen begrenzte Volumen darstellt, so ist das Volumen der 
in das Messrohr eingetretenen Flüssigkeit auch gleich 
V9 (4499 — /9)(1 + 100H). 
Bei einer anderen wahren Temperatur 7'ist ferner 
V, --/T) — V 4- AT) — 94r — 4) -- 4T) 
wenn f und 4 die mittleren Ausdehnungscoëfficienten der Flüssigkeit und der 
Hülle zwischen den Temperaturen 0 und 7, und /, und 7; die entsprechenden 
Lesungen bedeuten. 
Soll nun die beobachtete scheinbare Ausdehnung alsfMaass für die Temperatur 
dienen, so ist zu setzen: 
£:100 = Ur — 23): (4100 — Jo) 
Diese Gleichung beruht aber auf folgenden Voraussetzungen: 
1) dass gleichen Lingen des Messrohres bei derselben Temperatur gleiche 
Volumina entsprechen, 
9) dass keine Volumsinderungen durch Variationen des äusseren oder 
inneren Druckes eingetreten seien und 
3) dass die den Temperaturen 0 und [100 entsprechenden Volumina ein- 
wurfsfrei beobachtet und als constant angesehen werden kónnen. Sind diese 
Bedingungen sámmtlich erfüllt, so folgt aus obiger Gleichung für eine mit diesem 
Thermometer gemessene Temperatur 7 die Relation: 
a (lr — 4) (f — A) -- 1007) 
| (aoo — 4o) (£-— HAT 
Aus dieser Gleichung. geht unmittelbar hervor, dass die Gangdifferenz zweier 
Flüssigkeits: oder Gasthermometer (aus derselben Glassorte) nicht von dem 
absoluten Werthe ihrer mittleren scheinbaren Ausdehnungscoéfficienten abhángt, 
sondern von den Aenderung, welche dieselben mit der Temperatur erleiden 
Aber selbst wenn die Ausdehnung gleichfórmig wáre, so müssten doch, wie 
POGGENDORFF zeigte, stets an den abgelesenen Temperaturen wegen der Aus- 
dehnung des Messrohres Correctionen angebracht werden. Sind die zur Berechnung 
der Ausdehnung aus den wahren "Temperaturen erforderlichen numerischen 
Coéfficienten der Functionen bekannt, so lassen sich aus der obigen Formel die 
Abweichungen der Flüssigkeitsthermometer von einander und von der wahren 
'emperaturscala ableiten. Da jedoch kleine Verschiedenheiten in der Reinheit 
der Substanzen schon wesentliche Aenderungen im Gange der Ausdehnung 
herbeiführen können, so ist es zveckmüssiger, diese Correctionen durch Vergleichung 
mit einem Normalgasthermometer, zu bestimmen, nachdem Sorge getragen wurde, 
dass die obengenannten Bedingungen möglichst erfüllt sind. Denn nur wenn die 
Beobachtungen an den Flüssigkeitsthermometern strenge vergleichbar gemacht sind 
und die Unveränderlichkeit der Angaben im Laufe der Zeit erzielt ist, haben 
diese direkt oder indirekt auszuführenden Vergleichungen einen bleibenden Werth. 
Da Quecksilber das Glas nicht benetzt, innerhalb eines grossen Temperatur- 
intervalles flüssig bleibt, eine geringe specifische Wärme, eine verhältnissmässig 
gute Leitungsfähigkeit und eine sehr gleichförmige Ausdehnung besitzt und ferner 
die geringsten Spuren einer Verunreinigung sofort an seinem physikalischen Ver- 
halten erkennen lässt, so eignet sich dasselbe in erster Linie als thermometrische 
Flüssigkeit. Für den praktischen Gebrauch kommen der Kleinheit der Dimensionen 
und der Transportfähigkeit wegen als Normalthermometer fast nur Quecksilber- 
  
100 = 7 
  
  
  
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