Einheitliche Körper. Schmelzwärme, 613
PETTERSSON!) bestimmte die Schmelzwärme überkalteter Flüssigkeiten, die
sich in einem Quecksilber-Calorimeter befanden und durch Berührung mit einem
Krystall zu momentanem Erstarren gebracht wurden. Er konnte so die Schmelz-
wärme auch bei verschiedenen "Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes
(Erstarrungspunktes) bestimmen und ihre Veránderlichkeit mit der Temperatur
constatiren.
Die Erniedrigung des Schmelzpunktes (Gefrierpunktes) von Flüssigkeiten
durch Auflósung anderer Stofte in ihnen gewährt eine weitere Methode zur Be-
stimmung der Schmelzwärme, wie vAN T’Horr?) theoretisch ableitete und an der
Erfahrung bestätigt fand. Die Anwendbarkeit ist namentlich von EvkKMAN?) in
weitem Umfang erwiesen worden. Die Theorie ergiebt nämlich (s. w. u.), dass:
75
Æ — 002 Ey.
worin K die Gefrierpunktserniedrigung bedeutet, die durch ein Gramm-Molekular-
gewicht des gelösten Stoffes in 100 gr der lósenden Flüssigkeit hervorgebracht
wird (die Gefrierconstante); 7'ist die absolute Temperatur und Z die Schmelz-
wärme der lósenden Flüssigkeit; es ist also
7?
— EE
Die Veránderlichkeit der Schmelzwárme mit der Temperatur ist
bereits 1847 von PERSON unter Voraussetzung des ersten Hauptsatzes der
Thermodynamik abgeleitet worden, obwohl dieser als solcher damals noch un-
bekannt war. Sei die Wärmecapacität im festen Zustand c, im flüssigen c',
so 1st
L
az
dr
=¢ —¢
denn es erstarre die Masseneinheit eines Stoftes bei der Temperatur 7, so giebt
sie die Schmelzwärme Z ab, beim Abkiihlen des erstarrten Stoffes um #7" wird
ausserdem die Wirmemenge ¢d 7 frei; man gewinnt somit die Wármemenge
L + ¢d7, um die Masseneinheit von dem flüssigen Zustand bei Z' in den festen
bei Z'— dT zu bringen. In denselben Zustand kann der Stoff jedoch noch auf
einem zweiten Wege übergeführt werden: er wird als Flüssigkeit von 7' auf
T— dT abgekühlt (unterkühlt) die freiwerdende Wármemenge ist c'dZ, und nun
wird er bei Z— Z7' erstarren lassen, wobei seine Wiarmemenge Z', die Schmelz-
wärme bei 7'— Z7, in Freiheit gesetzt wird.
Da die auf beiden Wegen durch die Volumánderung gegen den àusseren
Druck geleistete (sehr kleine) Arbeit gleich ist und sich deshalb heraushebt, so
müssen die auf beiden Wegen erhaltenen Wármemengen gleich sein, also:
L + cdT = L' + dT
oder
L — L' ; aL
AT. = 0 —C = a7 .
Da in allen bekannten Fillen ¢' > c, die Wärmecapacität der Flüssigkeit
grösser ist, als die des festen Körpers, so muss die Schmelzwidrme gleichzeitig
mit der Temperatur wachsen resp. abnehmen.
1) PETTERSSON, Journ. pr. Chem. (2) 24, pag. 151.
2) VAN T’HoFF, Zeitschr. phys. Chem. 1, pag. 481. 1887.
3) EYKMAN, Zeitschr. f. physikal. Chemie 3, pag. 203; 4, pag. 497. 1889.