Theoretische Vorstellungen, III
tricität der einen Art, und diese wird sich so anordnen, dass das Potential so-
wohl auf dem einen wie auf dem anderen Kórper je einen constanten Werth
annimmt; dieser Werth wird aber für die beiden Körper ein verschiedener sein,
die Differenz der Werthe wird der elektrischen Differenz entsprechen, und man
kann daher für diese auch die Bezeichnung Potentialdifferenz einführen. Die
gedachte Vorstellung ist natürlich nur eine ideale, in Wirklichkeit wird der Potential-
werth nicht sprungweise, sondern stetig sich ändern; man wird aber auf Grund
der Beobachtungsthatsachen annehmen dürfen, dass die elektromotorische Kraft
nur bis zu einem gewissen, sehr geringen Abstande zu beiden Seiten der Be-
rührungsfläche wirksam ist, und kommt dann zu dem Schluss, dass auch der
Uebergang des Potentials von dem einen zum anderen Werthe innerhalb einer
dünnen Schicht stattfinden wird. Die Potentialdifferenz zwischen zwei sich be-
rührenden Metallen ist also eine ihnen eigenthümliche Constante, sie ist unab-
hängig von ihren Dimensionen und von den Potentialwerthen auf ihnen. Lädt
man die eine Platte stärker, so lädt sich die andere von selbst entsprechend,
verbindet man die eine mit der Erde, so lädt sich die andere bis zu einem der
Potentialdifferenz gleichen Potentiale.
Die auf jedem der beiden Körper befindliche Elektricität besteht ferner, so
lange die Berührung andauert, aus zwei wesentlich verschiedenen Theilen, der
über die Berührungsfläche verbreiteten, durch die benachbarte, dem anderen
Körper angehörige entgegengesetzte Elektricität gebundenen Elektricität und der
über die ganze Oberfläche verbreiteten freien Elektricität. Da nun die Ent-
fernung der sich bindenden Elektricitätsschichten von einander ausserordentlich
klein ist — das System der beiden Körper stellt gewissermaassen einen Conden- |
sator mit isolirender Schicht von der Dicke null dar, — der Bindungscoéfficient
also nahezu gleich eins ist, so kann der über die Berührungsflàche verbreitete
Betrag der an zweiter Stelle genannten freien Elektricitát, und folglich, wenn
nicht etwa die ganze Oberfläche sehr gross gegen die Berührungsfläche ist, auch
der gesammte Betrag dieser freien Elektricität nur klein im Vergleich zur ge-
bundenen Electricitàtsmenge sein. Anders ausgedrückt, es wird die während der
Berührung der Körper nach aussen nachweisbare Elektricität nur schwach sein,
während man nach der Trennung der Körper, wodurch man auch die gebundene
Elektricität frei macht, eine verhältnissmässig sehr starke Wirkung erhalten wird
— ganz wie nach dem oben Gesagten die Thatsachen wenigstens qualitativ,
zeigen. Quantitativ findet jedoch ein ‚ausserordentlich grosser Unterschied statt.
Unter den einfachsten Annahmen, die man machen kann und die natürlich ein ganz
ungefähres Bild geben, liefert nämlich die Theorie des Condensators für Plattenform
der Körper als theoretisches Maass für das Verhältniss beider Wirkungen das Ver-
hältniss der Dicke der Doppelschicht, auf welche die elektromotorische Kraft
beschränkt ist, zuin : fachen des Radius der Platten. Eine derartige quantitative
Vergleichung der freien mit der gebundenen Elektricität hat FECHNER auf indirektem
Wege mit Hilfe der VoLTA’schen Säule (s. w. u.) ausgeführt und gefunden, dass bei
Platten von 6 Centim. Radius das genannte Verhältniss etwa 1:700 ist; die theore-
tische Dicke der Doppelschicht wiirde hiernach rund 0:003 Centim. betragen. Das
ist nun offenbar viel zu viel; v. HELMHOLTZ!) schätzt diese Dicke nach Milliontel
1) v. HELMHOLTZ, WIED. Ann. 7, pag. 337. 1879, auch Wiss. Abh. 1, pag. 855. Wenn
E die elektrische Differenz, Æ der Radius der (kreisfórmig gedachten) Platten, e ihr Abstand
(also die ideelle Dicke der Doppelschicht) und 7 das volle Potential nach der Trennung, so, ist
PD— 1A Eje also für 4 — 10 Centim., e — 0:000001 Millim. das 40 millionenfache von =!