442 Elektrolyse.
nicht die reinen elektrolytischen, sondern die durch sekundäre Processe er-
zeugten. So sind es gerade in dem von NICHOLSON und CARLISLE beobachteten
Fall der scheinbaren Wasserzersetzung die sekundären Processe, welche das
Auftreten von Wasserstoff und Sauerstoff bewirken. Reines Wasser námlich leitet
den elektrischen Strom nicht, oder wenigstens vermuthlich nicht, und kann daher
auch nicht elektrolysirt werden. Seine Leitungsfáhigkeit verdankt es den Spuren
aufgelóster Alkalisalze und Sáuren und diese sind es auch, welche durch den
Strom zersetzt werden. Wenn z. B. salpetersaures Kali, KNO,, durch den
Strom in die Ionen K und NO, zerlegt wird, so verbindet sich das K durch
rein chemische Processe sofort mit dem OH des Wassers zu KOH, und es tritt
an Stelle von K der restirende Wasserstoff H des Wassers auf. Ebenso ver-
bindet sich das entstehende Salpetersáureanhydrid, N O,, sofort mit dem Wasser-
stoff eines halben Wassermoleküls zu (N O,H) und es tritt der restirende Sauer-
O i :
stoff — frei auf. Die thatsáchlich erscheinenden Produkte der Elektrolyse sind
O . ins |
daher H und 5, dieselben, wie sie durch direkte Zersetzung des Wassers ent-
stehen würden, die aber nur durch sekundáre Processe aus den direkten Ionen K
und NO, hervorgebracht werden. Ebenso wird bei Wasser, das etwas durch
Schwefelsäure angesäuert ist, primär nur SO,H, in SO, und H, zerlegt. SO,
aber verbindet sich sofort mit dem H, eines Wassermoleküls und lässt dessen
O frei auftreten.
In Bezug auf die Elektrolyse verhaiten sich alle zusammengesetzten Ver-
bindungen als binäre Verbindungen, d. h. sie zerfallen ohne Ausnahme in
zwei bestimmte Ionen. Von diesen ist das eine fast stets ein Metall, wenn man
den Wasserstoff auch zu den Metallen rechnet, also ein einfacher Kôrper (Aus-
nahmen s. unten bei Uran und Vanadium). Das zweite Ion ist der ganze Rest
der Verbindung. Bei einfachen Elektrolyten ist dieses binäre Verhalten ohne
weiteres ersichtlich. So ist in Chlorkalium, KCI, das Metall K und der Rest
Chlor, die Ionen sind also K und Cl; in NO,H ist H das Metall, und NO, der
Rest, in SO,Cu ist Cu das Metall und SO, der Rest. In vielen Fállen aber,
namentlich bei Doppelsalzen, ist es von vorn herein nicht leicht anzugeben,
welcher Bestandtheil der Verbindung als Metall, welcher als der Rest in diesem
Sinne anzusehen ist. So ist es bei dem Ferrocyankalium, Fe(CN);K,, zunáchst
zweifelhaft, ob dessen elektrolytische Bestandtheile K, und Fe(CN), sind, oder
andere oder ob bei dem Doppelsalz J,CdJK Cadmium oder Kalium oder beide
das Kation bilden u. s. w. Die vollstindige Entscheidung fiir alle diese Fille
ist von HITTORF gegeben worden, wie unten gezeigt werden wird. Es sei hier schon
angeführt, dass nach Hirromr bei jeder Verbindung, wie complicirt sie auch sein
mag, die Ionen diejenigen sind, welche, bei rein chemischem Umsatz mit einem
bekannten einfachen Elektrolyten, z. B. NaCl, sich mit dessen Ionen austauschen.
Bei allen Elektrolyten nun tritt die elektrische Zerlegung derart
auf, dass der metallische Bestandtheil des Elektrolyts an der
Kathode, der Rest an der Anode erscheint, wobei aber beide eine
grosse Reihe von sekundären Processen eingehen kónnen, durch
die die eigentliche Zerlegung ganz verdeckt werden kann.
2) Grundgesetze der Elektrolyse.
Die Grundgesetze der Elektrolyse wurden von Famapay in der fünften und
siebenten Reihe seiner Experimentaluntersuchungen festgestellt, nachdem schon vor-
her eine ganze Anzahl von Theorieen zur Erklärung der Elektrolyse gebildet waren.