Grunderscheinungen. 5
den beiden Polen des freien Magneten nähert. Es muss also zwischen den
beiden Polen eines Magneten ein gewisser Gegensatz bestehen. Ein anderer
Versuch, der dies bestätigt, besteht darin, dass man dicht über einen horizontal
hingelegten Magnetstab, der aus gewissen Gründen sehr kräftig sein muss, einen
in horizontaler Ebene freien, also schwimmenden, schwebenden oder hängenden
Magnetstab bringt; der letztere stellt sich dann nicht nur dem ersteren parallel,
wie es nach obigem zu erwarten ist, sondern auch stets so, dass ein bestimmtes
seiner beiden Enden über ein bestimmtes Ende des anderen zu liegen kommt,
d. h. die beiden Magnete bringen nicht nur ihre Richtungen, sondern auch deren
Sinn in Uebereinstimmung.
Richtkraft. Eine derartige Einseitigkeit offenbart sich auch schon unter Be-
nutzung eines einzigen Magneten, wenn man diesen so aufsetzt oder aufhängt, dass
er in horizontaler Ebene drehbar ist; man sieht dann, dass er sich stets in eine
bestimmte Richtung, die nahe mit der Süd- und Nordrichtung zusammenfällt,
einstellt, und zwar stets mit einem bestimmten Ende nach Norden. Dieser Fall
hat eine solche Aehnlichkeit mit dem vorigen, dass man unwillkürlich zu der
Annahme gelangt, den Körper, welcher sich hier unter dem freien Magnet be-
findet, nämlich die Erde selbst, als einen Magneten zu betrachten, dessen Pole
nahe ihren geographischen Polen liegen. Die Richtung, in welche sich der
Magnet einstellt, nennt man den magnetischen Meridian (näheres hierüber
im Art. Erdmagnetismus).
Anziehung und Abstossung. Wiederholt man jetzt die Versuche, be-
treffend die Anziehung und Abstossung zwischen den Polen zweier Magnete, so
findet man, dass diejenigen Pole, welche bei Aufhängung der Stäbe nach Norden
zeigen würden, sich abstossen, ebenso diejenigen, welche nach Süden zeigen
würden, dass dagegen der nach Norden zeigende Pol den nach Süden zeigenden
und umgekehrt anzieht. Man erhält also das Gesetz: Gleichartige Pole
stossen sich ab, ungleichartige ziehen sich an. Hierin liegt gleichzeitig,
dass die Kraft zwischen zwei Polen in die Richtung ihrer Verbindungslinie fällt,
was eigentlich selbstverständlich ist, da die Pole als Punkte oder jedenfalls als
Grössen ohne ausgezeichnete Richtung keine Seitlichkeit der Erscheinung invol-
viren können.
Nordpol und Südpol. Es liegt nahe, die beiden in dieser Weise ent-
gegengesetzten Pole als Nordpol und Südpol des Magneten zu bezeichnen.
Dabei kann man entweder den dem geographischen Nordpol der Erde nahe
gelegenen magnetischen Pol derselben als Nordpol bezeichnen, den anderen als
Südpol, muss dann aber den nach Norden zeigenden, also vom Nordpol der
Erde angezogenen Pol in dem Magneten als seinen Südpol betrachten und um-
gekehrt; oder man nennt den nach Norden zeigenden Pol eines Magneten eben
deshalb Nordpol, den anderen Südpol, muss dann aber annehmen, dass der
dem geographischen Nordpol der Erde nahe gelegene Pol derselben ein Südpol
und umgekehrt sei. Die letztere Bezeichnungsweise ist offenbar die praktischere,
sie hat sich daher auch fast allgemein eingebürgert. Den Nordpol kann man
auch als positiven, den Südpol als negativen bezeichnen ?).
Jedem Nordpol ist auch stets ein Südpol zugehórig, ein Magnet setzt sich
immer aus einem Nordpol und einem Südpol zusammen (allgemeiner gesprochen,
aus einer gleichen Anzahl von Nord- und Südpolen, wobei in gewissen Füllen
1) Die Gegensitzlichkeit der beiden Pole scheint zuerst von HARTMANN in Nürnberg um
1540 klar erkannt worden zu sein, dann folgten PoRTA (1580) und GILBERT (1600, s. 0.).