Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 2. Abtheilung)

  
  
Grunderscheinungen. 5 
den beiden Polen des freien Magneten nähert. Es muss also zwischen den 
beiden Polen eines Magneten ein gewisser Gegensatz bestehen. Ein anderer 
Versuch, der dies bestätigt, besteht darin, dass man dicht über einen horizontal 
hingelegten Magnetstab, der aus gewissen Gründen sehr kräftig sein muss, einen 
in horizontaler Ebene freien, also schwimmenden, schwebenden oder hängenden 
Magnetstab bringt; der letztere stellt sich dann nicht nur dem ersteren parallel, 
wie es nach obigem zu erwarten ist, sondern auch stets so, dass ein bestimmtes 
seiner beiden Enden über ein bestimmtes Ende des anderen zu liegen kommt, 
d. h. die beiden Magnete bringen nicht nur ihre Richtungen, sondern auch deren 
Sinn in Uebereinstimmung. 
Richtkraft. Eine derartige Einseitigkeit offenbart sich auch schon unter Be- 
nutzung eines einzigen Magneten, wenn man diesen so aufsetzt oder aufhängt, dass 
er in horizontaler Ebene drehbar ist; man sieht dann, dass er sich stets in eine 
bestimmte Richtung, die nahe mit der Süd- und Nordrichtung zusammenfällt, 
einstellt, und zwar stets mit einem bestimmten Ende nach Norden. Dieser Fall 
hat eine solche Aehnlichkeit mit dem vorigen, dass man unwillkürlich zu der 
Annahme gelangt, den Körper, welcher sich hier unter dem freien Magnet be- 
findet, nämlich die Erde selbst, als einen Magneten zu betrachten, dessen Pole 
nahe ihren geographischen Polen liegen. Die Richtung, in welche sich der 
Magnet einstellt, nennt man den magnetischen Meridian (näheres hierüber 
im Art. Erdmagnetismus). 
Anziehung und Abstossung. Wiederholt man jetzt die Versuche, be- 
treffend die Anziehung und Abstossung zwischen den Polen zweier Magnete, so 
findet man, dass diejenigen Pole, welche bei Aufhängung der Stäbe nach Norden 
zeigen würden, sich abstossen, ebenso diejenigen, welche nach Süden zeigen 
würden, dass dagegen der nach Norden zeigende Pol den nach Süden zeigenden 
und umgekehrt anzieht. Man erhält also das Gesetz: Gleichartige Pole 
stossen sich ab, ungleichartige ziehen sich an. Hierin liegt gleichzeitig, 
dass die Kraft zwischen zwei Polen in die Richtung ihrer Verbindungslinie fällt, 
was eigentlich selbstverständlich ist, da die Pole als Punkte oder jedenfalls als 
Grössen ohne ausgezeichnete Richtung keine Seitlichkeit der Erscheinung invol- 
viren können. 
Nordpol und Südpol. Es liegt nahe, die beiden in dieser Weise ent- 
gegengesetzten Pole als Nordpol und Südpol des Magneten zu bezeichnen. 
Dabei kann man entweder den dem geographischen Nordpol der Erde nahe 
gelegenen magnetischen Pol derselben als Nordpol bezeichnen, den anderen als 
Südpol, muss dann aber den nach Norden zeigenden, also vom Nordpol der 
Erde angezogenen Pol in dem Magneten als seinen Südpol betrachten und um- 
gekehrt; oder man nennt den nach Norden zeigenden Pol eines Magneten eben 
deshalb Nordpol, den anderen Südpol, muss dann aber annehmen, dass der 
dem geographischen Nordpol der Erde nahe gelegene Pol derselben ein Südpol 
und umgekehrt sei. Die letztere Bezeichnungsweise ist offenbar die praktischere, 
sie hat sich daher auch fast allgemein eingebürgert. Den Nordpol kann man 
auch als positiven, den Südpol als negativen bezeichnen ?). 
Jedem Nordpol ist auch stets ein Südpol zugehórig, ein Magnet setzt sich 
immer aus einem Nordpol und einem Südpol zusammen (allgemeiner gesprochen, 
aus einer gleichen Anzahl von Nord- und Südpolen, wobei in gewissen Füllen 
  
1) Die Gegensitzlichkeit der beiden Pole scheint zuerst von HARTMANN in Nürnberg um 
1540 klar erkannt worden zu sein, dann folgten PoRTA (1580) und GILBERT (1600, s. 0.). 
 
	        
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